
halten des Tiersubjektes ihren Stempel auf drücken, andererseits ist es aber auch das Tiersubjekt
selbst, welches innerhalb gewisser Grenzen in diese Dynamik eingreift.
Nicht ohne Absicht habe ich im vorauf geh enden das Verhalten der höheren Krebse
immer wieder zum Vergleich mit demjenigen unseres Versuchstieres herangezogen. Neben
den experimentellen Tatsachen, die bereits durch die schönen Untersuchungen von Cope-
land (1918) in Menge vorliegen und in unsere Untersuchung vielfach nur eingebaut zu
werden brauchten, schien es mir notwendig, die t h e o r e t i s c h e E i n s t e l l u n g so scharf
als möglich zu kennzeichnen und dabei so viel Tatsachenmaterial als möglich zu verarbeiten.
S i c h e r i s t es n i c h t a n g ä n g i g , d i e U m w e l t e n z we i e r T i e r a r t e n
al s Ga n z e s zu v e r g l e i c h e n ; d e n n j ed e s T i e r s u b j e k t i s t i n n e r h a l b s e i n e r
U m w e l t v o l l k omme n u n d f e r t i g , s o n s t mü ß t e di e A r t a u s s t e r b e n . Da
j ed e s T i e r S u b j e k t s e i n e Umwe l t mi t Hi l f e d e r L e i s t u n g e n s e i n e r R e z
e p t o r e n u n d Me r k o r g a n e e r s c h a f f t , u n d mi t t e l s d e r I m p u l s e , d i e von
den Wi r k o r g a n e n a u s g e h e n d a n di e E f f e k t o r e n a b g e g e b e n we r d e n ,
d a r i n h a n d e l t , k a n n s i e n u r i hm a d ä q u a t sein. [Vgj| ¡hierüber auch VON Uex-
KÜll (1921 und 1928)].
Trotzdem ist es aber möglich, ge wi s s e P r i n z i p i e n a u s d e n e i n z e l n e n b i o l
o g i s c h e n F e l d e r n d e r F u n k t i o n s k r e i s e h e r a u s z u h e b e n , di e bei den
A r t g e n o s s e n v e r s c h i e d e n s t e r T i e r g r u p p e n zu f i n d e n s ind, um d a r a u f
e i ne T y p o l o g i s i e r u n g d e r F u n k t i o n s p l ä n e zu g r ü n d e n , a u f d e r e n B a s i s
g ewi s s e Vo r h e r s a g e n m ö g l i c h s i n d [vgl. S. 2 und BROCK (1931)]. Dabei dürften
wir auch der Lösung der Frage, wie es möglich ist, daß bei einer geringeren Differenzierung
des Bauplanes derselbe Erfolg, nämlich die Erhaltung des Individuums und der
Art erreicht wird, wie bei einer höheren, näherkommen.
Die Beutefelder der Wellhornschnecke und der anomuren und brachyuren Crustaceen
fordern deswegen zu einem Vergleiche heraus, weil beide Tiergruppen „Aasfresser“ sind,
die sich weitgehend chemisch orientieren.
Die höhere Organisation des Bauplanes der Krebse macht sich zunächst in der viel
weitergehenden a k t i v e n Beherrschung des Mediums geltend. Das exakte Zusammenspiel
zwischen Scaphognathiten und Maxillipedengeißeln dieser Tiere kann natürlich eine
größere Wirksamkeit entfalten als der Wimperstrom der Pallialhöhle unseres Versuchstieres
[vgl. BROCK (1926, S. 431)]. Dem steht aber der Vorteil des dehnbaren Siphos gegenüber,
welcher den chemischen Horizont der Schnecke vom Mundfelde hinweg um ein Beträchtliches
in das Medium hinausverlegt.
Sehr frappant ist die völlige Gleichheit beider Tiergruppen in der Beherrschung der
Wasserströme, die sich in Siphonal- und Antennulenreaktion ausdrückt. In beiden Fällen
werden chemische und Strömungsreize eng verkoppelt, und es steht nichts im Wege, anzunehmen,
daß in diesem Punkte — und es handelt sich dabei um einen sehr wesentlichen
Faktor — Schnecken und Krebse in gleicher Weise leistungsfähig sind.
Überlegen sind die Crustaceen sicher infolge der viel funktionstüchtigeren Augen,
die, wie bereits erwähnt, auch bei der Nahrungssuche eine Rolle spielen können [Brock
(1926, Kap. IV, 3)]. Wie weit das unter natürlichen Bedin gungen nach dem auf S. 24 Gesagten
der Fall ist, bleibe dahingestellt. Aber sicher ist das Anzielen eines optischen
Merkmals viel rascher und sicherer möglich, als die Orientierung nach chemischen Reizen,
welche immer den Mediumeinflüssen unterworfen sind.
Die größere e f f e k t o r i s c h e Differenziertheit der höheren Krebse steht natürlich
ebenfalls über jedem Zweifel. Eine maximale Geschwindigkeit von 625 cm/Min. wird auch
die erregteste Schnecke nicht an den Tag legen. In unseren allerdings unzureichenden
Untersuchungen fanden wir eine mittlere Geschwindigkeit von etwa 14 cm/Min. für die
Schnecke und 115 cm/Min. für den Einsiedlerkrebs Pagurus arrosor (vgl. S. 16). Diese
Werte sind natürlich, wie bereits erwähnt, sehr relativ, obgleich es sich um Tiere von
annähernd gleicher Größe handelt.
Biologisch interessant ist noch, daß der Einsiedlerkrebs und die Wellhornschnecke
auch in der Nähe der Nahrung ein analoges Verhalten zeigen. Der suchende Rüssel der
Schnecken (S. 35) ist den tastenden Scheren der Einsiedlerkrebse durchaus vergleichbar,
ebenso wie die Sicherung der fressenden Wellhornschnecke durch den Sipho und
diejenige des Einsiedlerkrebses durch die langen Antennen (S. 35).
Leider fehlen uns vorläufig noch die Vorstellungen der s u b j e k t i v e n R ä ume und
Z ei t e n beider Tiergruppen. Die prinzipielle Möglichkeit der Durchführung von Versuchen
auf diesem Gebiete haben von Uexküll und Brock (1927) für die Räume und
von Uexküll (1928) für die Zeiten nachgewiesen. Lissmann (1932) und Brecher (1932)
bauten auf diesen Gedankengängen ihre experimentellen Untersuchungen über die subjektive
Zeiteinheit, den Mome n t für den Kampffisch Betta splendens und die Weinbergsschnecke
Helix pomatia auf.
Ich glaube, an Hand der wenigen Daten genügend demonstriert zu haben, daß g e wi
s s e ü b e r e i n s t imm e n d e P r i n z i p i e n i n d e r B e h e r r s c h u n g d e r g l e i c h e n
b i o l o g i s c h e n F e l d e r bei v e r s c h i e d e n o r g a n i s i e r t e n T i e r e n v o r h a n d e n
sind. D ami t i s t di e R i c h t u n g , d i e e in e T y p o l o g i e d e r F u n k t i o n s p l ä n e
e i n z u s c h l a g e n hat , a n g e d e u t e t . Erst auf solchen Voraussetzungen fußend, werden
die Bemühungen, die wir in Kapitel 1 ,1 schilderten, eine festere Gestalt annehmen.
Wie die Unterschiede in der Organisationshöhe der Tiere einerseits und ihre Vollkommenheit
im oben geschilderten Sinne andererseits ausgeglichen werden, bleibt einstweilen
rätselhaft. Vielleicht finden wir einen Fingerzeig in dem Satze von K estner und
P laut (1924): Es gilt im allgemeinen die Regel, daß eine Tierart einen umso höheren
Stoffwechsel hat, je höher sie organisiert ist.
Auf Schritt und Tritt spürten wir, daß die Analyse der unversöhnliche Feind alles
Dynamischen ist. In der Wissenschaft können wir leider nicht auf sie verzichten, um so
mehr ist es für den experimentell arbeitenden Forscher nötig, daß das Wissen um dynamisch
lebendiges Geschehen wie eine Mahnerin vor ihm stehe, denn aus diesem Wissen
erwachsen ganz neue Perspektiven und Problemstellungen.
Auf unserer oben entwickelten Einstellung fußend, empfinden wir beispielsweise die
Bemühungen Coltons (1908), das Einführen des Gehäuserandes der Schnecke zwischen
die Schalen der Auster durch „Intelligenzversuche im Irrg arten “ zu erforschen, als sinnlos
(S. 9—10). Für uns läge es näher, zunächst zu fragen, ob sich nicht vielleicht in der
Siphonalreaktion der Schnecke und dem Pallialstrom der Auster zwei Funktionsfelder
sinnvoll überschneiden. Selbstverständlich dürfen die Lösungen der Probleme nicht am
Schreibtisch deduziert werden, die Einstellung zu ihnen soll aber v o r dem Experiment
gegeben sein.
2. Nahrungsaufnahme.
Wie wir feststellten, spielt der R ü s s e l beim Auffinden biologisch bedeutsamer
Substratreize im Beutefelde eine hervorragende Rolle, weil durch seine Verlängerung