in gleicher Konzentration. Daher findet keine Drehung des Tieres statt. Es kriecht geradlinig
auf das Fleisch zu.
Wir sehen, daß dieses abstrakte, i d e a l i s t i s c h e F u n k t i o n s p l a n s c h ema , dem
keine lebendige Dynamik mehr anhaftet, der Begriffswelt der Taxienlehre durchaus adäquat
ist. Wir wissen aber, daß es sich dabei n u r um e i n e n k l e i n e n A u s s c h n i t t
rezeptorischer und effektorischer Funktionen im Beutekreise handelt. Erst sehr eingehende
Untersuchungen müßten zeigen, wie weit dieses Verhalten auch in anderen Funktionskreisen
Anwendung findet. F ü r den außenstehenden Beobachter ist es eine der Te i l -
s t r u k t u r e n , die sich aus dem Funktionsplanschema des Beutefeldes heraushebt.
D ie f r e i e B ew e g u n g sm ö g l i c h k e i t de s S i p h o s s i c h e r t d e m T i e r s u b j
e k t di e r e z e p t o r i s c h e B e h e r r s c h u n g des M e d i u m s s e i n e r u n m i t t e l b
a r e n U mg e b u n g . Diese Beherrschung ist zunächst chemischer Art. Durch maximale
Dehnung der Pallialröhre kann der Radius des chemischen Horizontes verlängert werden.
Dieses Verhalten beobachtet man bisweilen in Beutenähe. Andererseits machten wir darauf
aufmerksam (S. 15), daß sich die auf der Ventralseite geschlitzte Röhre in bestimmten
Fällen zur Rinne öffnen kann. Jetzt erst verstehen wir dieses Verhalten. Es wird dadurch
einerseits der chemische Horizont tierwärts verlagert, andererseits der Weg dös, Pallial-
wassers zum Osphradium abgekürzt.
Aber damit ist der Aufgabenkreis des Siphos keineswegs umschrieben. Der aut S. 2U
bis 21 geschilderte Drehseheihenversuch zeigte, daß er auf Wasserströme sofort reagiert, indem
er sieh gegen den Strom einstellt und, falls der Mediumstrom mit Reizen der Nahrung
versehen ist, folgt die Schnecke m i t v o r a n g e h a l t e n e r P a l l i a l r ö h r e dem
strom (S. 21). Daraus geht klar hervor, daß sich auf dem durch die Bewegungen des Siphos
umschriebenen Horizont des Tiersubjektes nicht nur c h emi s c h e , sondern auch S t r o -
mu n g sm e r km a l e abheben müssen. _
Schließlich geht aus den Versuchen Co p e la n d s (1918) sowohl wie aus meinen Beobachtungen
hervor, daß die Schnecken b e i m An s t o ß des S i p h o s a n e in >>F r e iß "
d i n g “ häufig sofort mit einer Drehung nach der gereizten Seite antworten. Meist ertolgt
auch das Ausstrecken des Rü s s e l s in dieser Richtung.
Versuchen wir jetzt v o n d e r D y n am i k des U m f e l d e s e i n e r s e i t s u n d von
dem V e r h a l t e n des T i e r s u b j e k t e s a n d e r e r s e i t s ausgehend, die Sachlage zu
betrachten, so können wir feststellen, daß sich auf dem d u r c h d i e B ewe g u n g e n des
S i p h o s g e k e n n z e i c h n e t e n s u b j e k t i v e n H o r i z o n t e d e r S c h n e c k e Me r k ma
l e r e i n c h e m i s c h e r , sowi e r h e o c h em i s c h e r u n d t a k t i l - c h emi s c h e r
A r t a b h e b e n mü s s e n , a u f we l c h e di e S t e u e r u n g d e r ef f e k t o r i s e h e n O r g
a n e e r fo l g t , w e l c h e d e r D y n ami k des Umf e l d e s a d ä q u a t ist . D i e s e R e l
a t i o n g a b e n w i r s t a t i s c h d u r c h e in i d e a l i s t i s c h e s F u n k t i o n s p l a n -
Sc hema w i e d e r (S. 33—34). . . .
Dabei ist es von untergeordneter Bedeutung, zu wissen, wie weit die Reize vom Sipho
selbst und wie weit vom Osphradium rezipiert werden. Wir können vielmehr die ver-
schiedenen Rezeptoren des Siphos und des Osphradiums, ganz abgesehen von ihrer Funktion,
zusammenfassend als S i p h o n a i r e z e p t o r e n bezeichnen.
D ie Feststellungen COPELANDS (1918), der hei Busycon das Osphradium auf operativem
Wege ausschaltete (s. oben S. 2-1 -25), ,-in Verbindung mit der Rolle, welche die
Siphonalreaktion im Beutefelde spielt, einerseits und der Bedeutungslosigkeit der Augen
während der Nahrungssuche andererseits (S. 23—24), weisen mit Sicherheit darauf hm,
daß d ie S i p h o n a l r e ä k t i o n e n da s Me d i um des B e u t e f e l d e s a l l e i n b e h
e r r s c h e n , während alle anderen Rezeptoren am Kopfe und Fuße des Tieres, das
S u b s t r a t , auf welchem die Schnecke kriecht, überwachen.
Co pe la n d s Versuchstiere waren nach der Entfernung des Osphradiums ziemlich
hilflos, weil ihnen der „Horizont“, der sich sonst vor ihrem Sipho wölbte, genommen war.
Sie konnten s ic h S b ild lic h gesprocherB--iSnicht mehr im Ra u me , sondern nur noch in
der E b e n e nach der Beute orientieren. Dabei sind, wie wir sahen, Bodenspuren der Beute
bedeutsame Marken für Tentakeln und Fußrand, welche, der Schnecke eine Orientierungsmöglichkeit
über verhältnismäßig weite Strecken gewährleisten ;(ss Abb. 4).
Durch operative Entfernung der Tentakeln und der Augen lassen sich während der
Suchbewegungen im Beutefelde kaum Ausfallserscheinungen feststellen, wie Co p e la n d
(1918) zeigte. Nach unserer Auffassung ist diese Tatsache durchaus verständlich, denn das
Auf suchen der Beute auf weitere Entfernungen beruht, nach Ausschaltung von Bodenreizen,
weitgehend auf einer Beherrschung des Mediumraumes,
D ie hi(H;o g i s c h e B e d e u t u n g 1 e r vorzugsweise m e d i um b e h e r r s c h e n d e n
S i p h o n a l r e z e p t o r e n einerseits u n d d e r s u b s t r a t b e h e r r s c h e n d e n R e z e p t
o r e n a n K o p f u n d F u ß andererseits s e h e n w i r besonders schön b e i d e r N a h r
u n g s a u f n a hme . Während der Fuß den Nahrungsbrocken festhält, führen die Tentakeln
häufig tastende Bewegungen nach ihm aus. Der Sipho jedoch wird meist nach
einer ganz anderen Richtung hin ausgestreckt, um das fressende Tier zu sichern, so wie
es bei Einsiedlerkrebsen die langen Antennen tu n [BROCK (1926, S. 441)].
Schließlich haben wir noch der Bedeutung des ausgestreckten Rüssels zu gedenken,
der für die Beherrschung des Substrates dem Sipho als Beherrscher des Mediums nicht
nachsteht. Auf starke chemische Reizwirkung hin wird, wie COPELAND (191.8) genau untersucht
hat, der Rüssel weit ausgestreckt. Nach meinen Beobachtungen erreicht er bisweilen
die Länge des Tieres. Zwischen Ritzen und Spalten, in welche die Schnecke wegen ihrer
Größe nicht eindringen kann, tastet er nach „Freßbarem“ (s. Taf. I, Abb. 7). Ohne ihn wäre
es der Schnecke beispielsweise nicht möglich, zwischen die klaffenden Schalen einer Auster
zu gelangen, welche sie durch ihren Gehäuserand offenhält (S. 9). Wie wir im nächsten
Kapitel noch sehen werden, liegen a n d e r R ü s sA l’s p i t z e C h e mo r e z e p t o r e n ,
welche eine genaue Prüfung der Nahrung vornehmen.
Ebenso wie durch den Sipho der Horizont des Tiersubjektes in den Raum des Mediums
hinausverlegt wird, bietet der Rüssel mit seinen Chemorezeptoren dem Tiersubjekt
die Möglichkeit, den t a k t i l - c h emi s c h e n II or i zo ul i n d e r E b e n e des S u b s
t r a t es beträchtlich zu erweitern. Wie weit Sipho und Rüssel koordinierte Bewegungen
ausführen, bedarf einer eingehenden Untersuchung. Ich konnte nicht feststellen, daß letzterer
auf Wasserströme zeigt.
Wenn wir alle Faktoren, die beim Aufbau des Beutefeldes durch das Tiersubjekt
biologisch bedeutungsvoll werden können, überblicken, so müssen wir feststellen, daß sie
trotz der verhältnismäßig geringen Differenzierung des Bauplanes, z. B. im Vergleich
mit höheren Krebsen, recht mannigfaltig sind. Aus der Dynamik des Umfeldes heben sich
besonders prägnant die c h em i s c h e n Re i z e de s Med i u m s und die W a s s e r s
t r öme des Me d i ums r a ume s , ferner die t akt i lAi c hemi s c hen M a r k e n des
B o d e n s u b s t r a t e s heraus. F ü r das Tiersubjekt sind sie selbstverständlich nur dann
biologisch bedeutsam, wenn sie die chemische Tönung der Beute tragen.
So kann sich die Dynamik des, Beutefeldes in jedem Moment ändern und dem Ver