D. Histologischer Aufbau des Gehirns.
Übersicht über den Bau des Insektengehirns.
Leider besteht bis jetzt noch keine einheitliche Bezeichnnngsweise bezüglich der verschiedenen
Teile des zentralen Nervensystems der Insekten. Fast jeder Autor h a t sich seine
eigene Nomenklatur geschaffen. Dies erschwert den direkten Vergleich der verschiedenen
Untersuchungen sehr. K ühnle (1913) hat eine ausführliche Übersicht über die Synonyma
gegeben, so daß auf diese Arbeit verwiesen werden kann. Die Zahl derselben wurde allerdings
inzwischen noch vermehrt. Erfreulich ist immerhin, daß in neuerer Zeit ein gewisser
Grundstock von Begriffen eine ziemlich einheitliche Anwendung findet. Um über die im
folgenden angewandten Begriffe Klarheit zu schaffen, soll zunächst eine Abgrenzung des
Begriffs „Gehirn“ versucht und anschließend eine kurze Übersicht über die verschiedenen
Teile des Gehirns gegeben werden.
Umstritten ist noch immer, welche Teile des zentralen Nervensystems als Gehirn bezeichnet
werden sollen. K enyon (1896) faßt Ober- und Unterschlundganglion zusammen
unter dem Begriff „cerebron“ und bezeichnet den dorsalen Teil als Dorsocerebrum, den
ventralen als Ventrocerebrum. Dieser weitesten Fassung des Begriffs schlossen sich u. a. an
J onescu, v. Alten, Kühnle, Bretschneider. Diese Auffassung steht im Gegensatz zu der
Begriffsbestimmung von Viallanes (1886), der als „cerveau“ nur das Oberschlundganglion
bezeichnet. Derselben Anwendung des Begriffs begegnen wir bei P late (1922) und bei
Hanström (1928). Ich schließe mich dieser Fassung des Begriffs an, obwohl auch hiergegen
Einwände zu machen sind. Schwierigkeiten bestehen vor allem bezüglich des Tritocere-
brums, zumal die die beiden Hälften verbindenden Konnektive ventral von dem Ösophagus
verlaufen. Man kann daraus mit Recht folgern, daß das Tritocerebrum ursprünglich ein
subösophageales Ganglion war. Nach P late müssen die Antennen ursprünglich ventrale
Extremitäten gewesen sein; demnach wäre also auch das Deuterocerebrum ein ursprünglich
subösophageales Ganglion und als eigentliches Gehirn bliebe dann nur das Proto-
cerebrum.
Einem auffallenden Widerspruch begegnen wir in Hesses (1932) Abhandlung „Über
die Abgrenzung des Gehirns“ . E r schreibt Seite 10 bezüglich des Nervensystems der Arthropoden:
„Bei ihnen sind Ganglienkette und Cerebralganglion gesondert durch den dazwischen
liegenden Schlund und werden nur durch ein P a a r Nervenstränge, die Schlundkon-
nektive, verbunden.“ Daraus geht k lar hervor, daß Hesse als Cerebralganglion das gesamte
Oberschlundganglion bezeichnet. Wenige Zeilen weiter unten aber gibt H esse als das Wesen
des Cerebralganglions an, daß es nur sensible und besonders assoziative Neurone enthält.
Nun ist aber schon lange bekannt, daß sowohl das Deuterocerebrum als auch das Tritocerebrum
neben sensiblen auch motorische Neurone enthalten. Diese beiden Teile des Nervensystems
dürften also nach H e s s e s zweiter Begriffsbestimmung nicht zum „Gehirn“
(Cerebralganglion) gerechnet werden.
Trotz dieser Schwierigkeiten, welche sich einer einwandfreien Abgrenzung des Gehirns
entgegensetzen, behalten wir doch die von V ia l l a n e s gegebene Abgrenzung bei, zumal bei
allen Insekten die Verbindung der von ihm als Proto-, Deutero- und Tritocerebrum bezeich-
neten Teile des Nervensystems eine außerordentlich enge ist, so daß man aus der morphologischen
E inheit auch auf eine funktionelle Einheit schließen darf. Die subösophagealen Ganglien
liegen dagegen oft sehr weit vom Oberschlundganglion entfernt und in ihrem feineren
Bau erinnern sie viel mehr an die Ganglien des Bauchmarks als an Gehirnganglien.
Wir legen der Darstellung des Gehirns der Rhynchoten folgende Einteilung zugrunde:
I. P r o t o c e r e b r um.
1. Lobi optici.
2. Corpora pedunculata.
3. Protocerebralbrücke.
4. Zentralkörper.
5. Pars intercerebralis.
6. Protocerebralloben.
II. D e u t e r o c e r e b r um .
1. Sensorischer Teil = Lobus olfactorius.
2. Motorischer Teil.
III. T r i t o c e r e b r um, mit den Frontolabralnerven, Ganglion frontale und
Nervus recurrens.
I. Geocorisae.
Die Behandlung des Gehirns der auf dem trockenen Lande lebenden Wanzen kann
gemeinsam erfolgen, da dasselbe bei den verschiedenen Familien weitgehende Übereinstimmung
zeigt. Dagegen sollen die Wasserläufer (Hydrometridae) gesondert behandelt
werden.
F ü r die Chromsilbermethoden eigneten sich am besten Carpocoris, Syromastes und
Pyrrhocoris. Die zuletzt genannte Form erwies sich insofern als sehr günstig, als hiervon
ohne Mühe Tausende von Individuen gesammelt werden konnten; die Anwendung der
Golgi-Methode erfordert bekanntlich immer ein riesiges Material. Im folgenden soll vor
allem auf die oben genannten Formen Bezug genommen werden.
1. Protocerebrum.
a ) Fazettenaugen und Lobi optici.
Da die Fazettenaugen in engster Beziehung zu den optischen Ganglien stehen, soll auf
deren Bau wenigstens in groben Zügen eingegangen werden. Eine ausführliche Bearbeitung
der Fazettenaugen der Landwanzen hat 0. K u h n (1926) geliefert. Meine Beobachtungen
stimmen weitgehend mit den Ergebnissen seiner Untersuchungen überein. Bei allen
Familien lassen sich folgende Bestandteile der Ommatidien feststellen: Unmittelbar unter
der bikonvexen Cornea finden sich vier Kristallzellen, welche den inneren stark konvexen
Rand der Cornea umfassen und in ihrer Gesamtheit einen Kegel bilden. Die beiden Haupt