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wünschten Gazellen-Arten besucht würden: so siedelte ich
mich, ohne mich weiter um Saifu viel zu kümmern, am
6. Januar 1833 dahin über. Auf dem Wege zu diesem Dorfe,
ein und eine halbe Stunde direct östlich vonNegarit, pas-
sirten wir den nicht unbeträchtlichen Fluss Savia, der von
Südosten her aus Woggera kömmt und nordwestlich fliesst,
um sich in den Angerab zu ergiessen. In demselben befinden
sich bereits dort Hippopotami, und an seinen mit
schönen Baumgruppen beschatteten Ufern entdeckte ich
auch die schöne Affenart, welche auf Taf. 1. meiner neuen
abyssinischen Wirbelthiere unter dem Namen C olobus
G u e re z a abgebildet ist. Das durch den starken Contrast
zwischen Schwarz und Weiss ausgezeichnete Fell dieser
Thiere war ehemals ein sehr beliebtes Pelzwerk in Abys-
sinien, und wurde zur Verzierung der Kriegsschilder gebraucht
*); in neuerer Zeit aber ist diese Mode abgekommen,
weil man fand, dass der schwarze Flecken dieses
Felles leicht zur Zielscheibe feindlicher Kugeln dienen
könne. Vom Savia-Strom ging unser Weg abermals eine
Stunde in östlicher Richtung über buschige Hügel hin. Auf
der Höhe des einen kehrten wir in einer Hütte des Schum
von Negadit ein. Dieses Dorf enthält etwa siebenzig Häuser
und seine Bewohner treiben viel Ackerbau. In der Mitte
jedes Ackerstückes derselben befindet sich auf dem abge-
stutzten^ jedoch noch fortvegetirenden Stamme eines Baumes,
um fünfzehn Fuss über der Erde ein käfigartiges Gebäude,
dessen Boden aus neben einander gelegten Stöcken
besteht. Hier verweilen, so lange die Felder mit Getreide
bedeckt sind, fortwährend einige Leute, um die IJlephan-
ten oder sonstiges Wild von der Saat zu verscheuchen. Bei
*) Siehe Taf. 4. Fig. 5.
Tage geschieht diess dadurch, dass ein Stab über die hohl
liegende Stöcke des Fussbodens hin und hergestrichen wird;
in der Nacht aber zündet man, sobald Thiere erscheinen,
lange Bündel von dünnen Rohrstängeln an, und schwingt
diese brennend gegen die ungebetenen Gäste hin. Veran-
lasste vielleicht diese Art grüner Warten Bruce zu der
Angabe, dass die Schangalla der Kulla auf Bäumen lebten,
wo sie durch das Zusammenbiegen von Zweigen sich Hütten
gebildet hätten *) ?
Am Tage nach unserer Ankunft (7. Januar) wurde das
abyssinische Weihnachtsfest gefeiert, und zu diesem Zwecke
eine grosse Schmauserei veranstaltet, an w'elcher alle männlichen
Bewohner der ganzen Gegend von fünf bis sechs
Stunden im Umkreise Theil nahmen. Es ward von der Gemeinde
von Negadit ein Ochse geschlachtet, welcher für
Rechnung derselben eigens zu diesem Behufe von Gondar
hergebracht worden war. Man hatte ihn hier und nicht in
der nächsten Umgegend gekauft, damit man sich nicht gegenseitig
den Vorwurf machen konnte, einen der hiesigen
Viehbesitzer im Preise begünstigt zu haben, obgleich, wohl
bemerkt, der Ochse nicht mehr als zwei und einen halben
Thaler kostete, welche von der ganzen Ortsgemeinde zusammengesteuert
wurden. Ich erfuhr bei dieser Gelegenheit,
dass hier bei jedem der vorzüglichsten kirchlichen
Feste der Reihe um von einem Dorfe der Umffeerend ein D O Ochse geschlachtet wird, zu dessen Verschmausung alle
Bewohner der Nachbarschaft eingeladen werden, um sich
so zuweilen mit frisch geschlachtetem, rohen Rindfleisch
gütlich zu thun. Man hatte eigens für diesen Schmaus eine
geräumige viereckige Strohhütte erbaut, und in derselben
*) Bruce, Yol. 2. pag. 595.