
übrig, als das Gepäck des Esels auf das Maulthier zu laden.
Er folgte uns hierauf auf dem geraden Wege nach; allein
da dieser sehr steil und felsig wurde, so befürchtete er in
der Dunkelheit einen gleichen Unglücksfall für das Maulthier,
und wartete daher lieber au der Stelle, wo wir ihn
fanden, den Anbruch des Tages ab. Ich fertigte nun sogleich
einen Boten an Theodor ab, um mir mit irgend einer
Gelegenheit einen ändern Esel in die Kulla nachschicken
zu lassen, und setzte hierauf, da das Maulthier fortan mit
dem Gepäcke beladen blieb, den Marsch zu Fusse fort.
Unser Weg ging drei und eine halbe Stunde lang immer
bergab, und zwar zuerst in nordwestlicher, dann in
nördlicher und dann zuletzt in nordöstlicher Richtung; die
schroffen, isolirt stehenden vulkanischen Kegel veranlassten
diese Biegungen. Der Weg war von vielen Bächen durchkreuzt,
deren Lauf sämmtlich nach Nordost ging. Die Gegend
hatte Ueberfluss an schönem Graswuchs, der aber
nicht benutzt ward, und es gab hier vieles Gesträuch und
anmuthige Gruppen von Bäumen, die ich nach Gondar zu
nicht bemerkt hatte. Einige Dorfschaften lagen auf einzelnen
Höhenpuncten zerstreut, und in ihrer Umgebung
bemerkte man grosse Strecken am felsigen Bergabhange,
die mit Mais, T ef und Tokussa angebaut waren; denn
überall findet sich zwischen vulkanischem Gestein der fruchtbarste
Boden, ein Erzeugniss der sich auflössenden Laven.
Alle Bewohner der umliegenden Ortschaften bekennen
sich zu einer eigenthümlichen Religionssecte, die sich in
mehreren Provinzen des westlichen und südlichen Abyssi-
niens und selbst im Lande Shoa ausgebreitet hat. Man
nennt die Anhänger dieses Glaubens G am ant. Sie werden
von den abyssinischen Christen und Mahommetanern als
aller Religion ermangelnde Heiden im hohen Grade verachtet.
Ich konnte über ihre religiöse Meinungen nur unvollständige
Notizen erhalten, von denen das Wesentlichste
folgendes ist. Die Gamant glauben an einen einzigen Gott
und an die Unsterblichkeit, und erkennen bloss Moses als
einen von Gott inspirirten Propheten an, wollen aber von
keinem Religionsbuch etwas wissen. Sie haben gar keine
besondern Festtage, jedoch enthalten sie sich am Sonnabend
des Ackerbaues. Auch beobachten sie keine Art
von Fasten, und essen ohne Unterschied das von Christen,
Juden oder Mahommetanern geschlachtete Fleisch, wess-
halbdenn auch diese drei Religionssecten sie gleich stark
verabscheuen. An jedem Tage, an welchem ein Vater der
einzelnen Gemeindeglieder gestorben ist, pflegen sich die
Bewohner eines Orts in einer eigenen Hütte zu versammeln,
wobei der Sohn des Verstorbenen die Anwesenden
mit Gerstenbier zu bewirthen hat. Von Charakter zeigen
sich die Gamant als gutmüthige Menschen und als ruhige
und fleissige Bürger, trotz der willkührlichsten Reizungen
und Verfolgungen, denen sie von Seiten Andersgläubiger
ausgesetzt sind. Besonders auffallend ist bei dieser Religionssecte
die Sitte der W eiber, sich nach dem ersten
Wochenbette in jedes Ohrläppchen eine Oeffnungzu machen,
und daselbst durch das Einzwängen von immer grösseren
Holzkeilen nach und nach einen weiten Fleischring hervorzubringen,
welcher drei Zoll und mehr im Durchmesser
hat und zuweilen bis auf die Schultern herabhängt *), ein
sonderbarer Begriff von körperlicher Verschönerung, wovon
sich aber Aehnliches auch bei den Botocuden in Bra*)
Herr Gobat (Missionsbericht 1834 p. 165) theilt mehreres Irr-
thümliche über die Gamant, die er Camaunten nennt, mit, z. B. dass
nur die jungen weiblichen Personen schwere Ohrgehänge trügen, dass
sie die Amhara-Sprache reden u. dgl. m.