
Ehe ich Entschetqab verliess, schickte ich einen Boten nach
Massaua ab, um dahin meine Briefe für europäische Freunde
zu überbringen, und dagegen die etwa für mich angekommenen,
deren ich seit meiner Abreise von Egypten keine erhalten
hatte, abzuhölen. Uns selbst gab Schellika Getana Jasu
bei der Abreise einen seiner vertrauten Diener mit, um uns bis
Gondar zu begleiten, und nicht allein gegen Zollforderungen
unterwegs zu schützen, sondern auch insbesondere dem Zollpächter
zu Gondar, im Namen vonUbi anzuzeigen, dass wir
ihm besonders befreundete Personen seyen, keine Handelsgeschäfte
trieben und daher auch in Betreff unseres Gepäckes^
nicht wie die Kaufleute zu behandeln seyen.
Es war am 8. October 1832, als ich mit meiner kleinen,
aus zwanzig Personen bestehenden Reisegesellschaft nach
Gondar aufbrach. Ausser meinen eigenen wohlhewaflheten
Leuten und den mit Luntenflinten versehenen Dienern des
Getana Mariam, hatte ich sieben Lastträger, von welchen
jeder drei viertel Speciesthaler erhielt. Unser Weg ging
zuerst in westlicher Richtung, durch die üppigen Gerstenfluren,
welche die Höhe des Plateau’s um Entschetqab in
dieser Jahreszeit noch bedecken. Bald stiegen wir in verschiedenen
Windungen ziemlich steil bergab, und zwar
anfangs zwischen vereinzelt stehendem niederen Gebüsch,
welches späterhin, je mehr man in des Thaies Tiefe hinabkömmt,
an Dichtheit und Kraft zunimmt. Wir gelangten
nach anderthalbstündigem Marsche in das Thal, pas-
sirten hier etwa viertausend Fuss unterhalb Entschetqab den
Bellegas-Strom, zogen dann an seinem Ufer um fünfviertel
Stunden abwärts, und lagerten uns hierauf. Dieser Fluss
entspringt, wie schon bemerkt ward *}, an dem westlichen
Abhange des Schneeberges Buahat, läuft von da zuerst
direct nach Westen, wendet sich dann nach Südwest, iind
hat hierauf da, wo wir uns eben jetzt befanden, eine südliche
Richtung. Während dev Regenzeit ist dieser Strom ;
welcher alle Bäche der Thäler westlich und südlich von
Entschetqab in sich aufnimmt, ein wildes, gefährliches
Wasser; oft hat dann die Wassermasse mehrere Tage lang
in der Mitte des Bettes eine Tiefe von zehn und eine Breite
von etwa hundert Fuss, während sie jetzt nur höchstens
anderthalb Fuss tief und kaum zwanzig Fuss breit war.
Zwei und eine halbe Stunde südlich von hier nimmt der
Bellegas beinahe an einer und derselben Stelle zwei Flüsse
auf, von welchen der eine, A n g o b a mit Namen, von
West-Nord west aus. der Provinz Woggera herabfliesst, der
andere aber R a c k a heisst, an der Südseite des Schneeberges
Büahät entspringt und zwischen Entschetqab und
dem Flecken Genemòra vorbeifliesst. Von urisérm Lagerplätze
an strömt der Bellegas um vier Stunden lang in
südlicher Richtung ; dann wendet er sich nach Südost und
später nach Ost, um zwanzig Wegstunden von hier sich
mit dem Takazzd zu vereinigen. Das ganze von diesem
Gewässer durchflossene Thal führt dèh Nàmen S h ö a d a.
An den Ufern des^tromes selbst ist kein Ackerbau, da es von
unzersetzten vulkanischen Felsgeröllen gebildet ist;aber die
abgelagerten Terrassen längs, der Thalwand werden zum
Gerstenbau stark benutzt ; übrigens schien mir die Zahl der
Bewohner dieser Landschaft sehr gering. Es herrscht in dem
Thale unter den schönen, mannichfaltigen Baumgruppen eine
sehr angenehme Temperatur, da die Gegend durch die Höhen
gegen plötzlichen Windwechsel ganz und gar geschützt ist.
Nach Coffin’s wenig glaubhaften Mittheilungen *) sollen
*) Pearce, Vol. 1. pag. 229.