
In diesem bewegten Zeitpuncte erhielt ich eine Botschaft
von Dj eaz Confu, durch welche er mir anzeigen liess, dass
seine Truppen allein gegen den fliehenden Djeaz Hailu
gezogen seyen, er aber bei seiner Mutter Oeleda Tackelit
in ihrem dermaligen Aufenthaltsorte Deraske verweile, wovon
er mich benachrichtige, da er mich kennen zu lernen
wünsche. Der eigentliche Zweck dieses gewissermassen beorderten
Besuchs sollte natürlich die Ueberreichung des
ihm zugedachten Geschenks seyn, und es blieb mir nichts
anderes übrig, als der Aufforderung Folge zu leisten. Ich
bat daher Getana Mariam, mich mit einer Partie bewaffneter
Leute nach Deraske zu begleiten, was er gern that, da
auch er, seiner Handelsgeschäfte wegen, dem Confu seine
Aufwartung zu machen wünschte. Wir statteten unsern Besuch
am 22. December ab. Das kleine Dorf Deraske liegt
fünf Stunden West-Südwest von Gondar, und wir nur dess-
halb von Oeleda Tackelit zu ihrem Aufenthaltsort gewählt
worden, weil sie in der Umgegend eine Kirche unter ihrer
persönlichen Leitung bauen liess. Die ganze Gegend zwischen
Gondar und Deraske ist eine wellenförmige Fläche
von durchaus vulkanischen Bestandtheilen, darch deren Zersetzung
eine üppige schwarze Erde erzeugt wurde. Nichts
desto weniger wird nur an einer Stelle derselben, beim
Dorfe Asuso, Ackerbau getrieben *); de ganze übrige
Fläche hat stellenweise niederes Buschwerk, und schien mir
ganz ohne eigentliche Bevölkerung zu sfeyn. In der gegen*)
Getana Mariam theilte mir bei dieser Getgenlieit mit, dass in diesem
Theile Abyssiniens für die Bezeichnung v^n Grundstücken einFeld-
maass gebräuchlich sey, welches einem Flächcuraum von fünfzig Klaftern
im Quadrat gleich komme. Der Preis eines solchen Ackers, wenn von
fruchtbarem Erdreich, soll dermalen beiläuig zwei Speciesthaler seyn;
ehedem aber, d. h. in friedlichen Zeiten, war dessen Preis fünfmal mehr.
wärtigen Jahreszeit trieben sich zahlreiche Rinderherden
mit ihren Hirten umher', die von Woggera gezogen waren,
wohin sie später, beim Beginne der Regenzeit, zurückkehrten;
für die Benutzung der hiesigen Weiden müssen sie an
Oeleda Tackelit eine Abgabe in Ochsen entrichten. Diese
Hirtenfamilien wohnen in kleinen Gruppen ephemerer
Strohhütten; ihre Hauptnahrung ist Milch und Fleisch; die
grosse Menge der durch ihre Herden erzeugten Butter bringen
sie regelmässig nach Gondar auf den Wochenmarkt,
und zwar ist die Concurrenz dabei in den Monaten nach der
Regenzeit so gross, dass während meines Aufenthalts daselbst
gewöhnlich fünfzig Pfund Butter für einen Speciesthaler
verkauft wurden. Die Frauen und Mädchen dieser
Nomaden zeichnen sich durch ihre ausnehmend schönen
Gesichtszüge und ihren reizenden Wbchs aus, stehen aber
in sittlicher Hinsicht auf einer sehr niedern Stufe.
Die einzelnen von den mehr westlich gelegenen Hügeln
nach dem Zana-See laufenden Strombetten, welche
wir auf unserm Wege durchkreuzten, waren beinahe alle
schon ausgetrocknet, und schienen mir zu unbedeutend, um
nach ihren Namen zu fragen. Auf jenen Hügeln selbst ist
vieles Acaciengebüsch, welches reichlich Gummi ausschwitzt,
der aber hier zu Lande nicht eingesammelt wird. Man
zeigte mir eine halbe Stunde nördlich von Asuso die Anhöhe
Abba Samuel, den Schauplatz zweier blutigen Schlachten,
die noch jetzt bei vielen Einwohnern Gondar’s in lebhaftem
Andenken stehen. In der einen Schlacht, die im
Jahre .1808 geliefert wurde, besiegte Ras Gugsa den Djeaz
Saude, Befehlshaber von Gudjam; die andere, in welcher
sieben Tage lang gekämpft wurde, hatte, wie ich bereits
früher (S. 5) angab, im Jahre 1826 zwischen Djeaz Hailu
Mariam von Simen und Ras Imam, Maria und Dori, den