
von religiöser Sympathie einiges Interesse an Abyssinien
zu erkennen geben; dieses wird sich aber voraussichtlich
immer mehr abstumpfen, je mehr man durch erweiterte
Kenntniss mit den Ressourcen des Landes und dem inneren
und äusseren Zustand seiner Bewohner bekannt werden
wird. Der von der evangelischen Missions- und Bibelgesellschaft
im Jahr 1830 mit vieler Hingebung und in der
reinsten Absicht gemachte Versuch, den moralischen Zustand
der Abyssinier durch Einführung von Schulen und
Verbreitung der heiligen Schrift zu bessern, ohne dabei
im Geringsten sich in dogmatische Streitigkeiten einzulassen,
ist nach den neuesten Nachrichten ganz fehl geschlagen,
und hat mit der Austreibung jener achtbaren
Männer geendet, welche die ganze Zeit ihres Aufenthalts
in Abyssinien nur dazu verwendet hatten, dem Volke
ohne Unterschied Gutes zu thun. Die katholischen Priester,
welche nunmehr an ihre Stelle getreten sind, können aus
diesem Hergang wenigstens die Lehre entnehmen, dass
das Verfahren der evangelischen Missionaire nicht dasjenige
war, wodurch man in Abyssinien Einfluss erlangt. Auf
welche andere Art sie jedoch denselben zu gewinnen und
in Abyssinien zu wirken gedenken, ist zur Zeit noch unbekannt.
Ich kann nicht umhin, zum Schlüsse dieser Betrachtung
dasjenige zu wiederholen, was ich bereits früher
andeutete: dass nämlich das zweckmässigste Mittel, die
abyssinische Nation von aussen her und auf Privatwegen
zu regeneriren, die Entwerfung und Verbreitung einer,
dem Fassungsvermögen und den moralischen Interessen
der Einwohner angepassten Landesgeschiehte seyn möchte,
in welcher ihr ehemaliger vergleichlicher Weise ehrenhafter
Zustand und ihre jetzige Erbärmlichkeit gehörig
hervorgehoben, und auf die Belebung des Nationalgefühls,
die Erweckung des Patriotismus und eine, nicht von dem
Herplappern dieser oder jener Liturgie, sondern von Gemeinsinn
und moralischen Triebfedern zu erwartende Abhülfe
hingearbeitet würde.
§ .1 1 .
Ueber die abyssinische Geschichte bis zum
Jahre 1769.
Die in den mir zu Gesicht gekommenen abyssinischen
Chroniken aufgezeichnete Landesgeschichte erhält eigentlich
erst mit dem Regierungsantritt des lqun Amlaq (1269
n. Ch.) einen wahrhaft historischen Charakter. Die Angaben
über die Zeitperiode vor der Geburt Christi beschränken
sich auf eine in den einzelnen Chroniken verschiedene
Liste von Regenten, welche der Sage nach von
Menilek, einem Sohne des israelitischen Königs Salomo
abstammen. Dass dieses Verzeichniss von Königsnamen sehr
grosse Lücken hat, ist schon daraus ersichtlich, weil für
die ganze Periode von zehn Jahrhunderten zwischen Menilek
und Christi Geburt nur siebenzehn bis sechs und
zwanzig Namen die Reihenfolge der Regenten bilden.
Auch das Verzeichniss derjenigen Könige, welche in den
zwölf ersten Jahrhunderten nach Ch. Geb. herrschten, ist
in den meisten Chroniken sehr mangelhaft und gewöhnlich
ohne zuverlässige nähere Zeitangabe. Nur in einer einzigen
Chronik, welche im Besitz des Lik Atkum zu Gondar
ist, fand ich eine Regentenliste der sieben ersten Jahrhunderte
unserer Zeitrechnung, bei welcher die Regie