
quartier mehr in meiner N ähe, auf dem linken Ufer des
Stromes, unfern der Kirche Anarakai, aufgeschlagen. Dahin
machte ich sodann öfters Spaziergänge, die durch den
Charakter der Landschaft einen eigenthümlichen Reiz erhielten.
Die unmittelbare Umgegend meiner Wohnung war
wegen der relativen Höhe der Gegend aller Strauch-Vegetation
beraubt, aber eine üppige Gerstenflur und ein reicher
Wiesenteppich bedeckten abwechselnd den Boden,
untermischt mit verschiedenartigen Pilzen, welche bei der
grossen Feuchtigkeit und der Masse von zersetztem Humus,
in wuchernder Menge sich hervordrängten. Die Anhöhen
nach Nordost zu, welche die entferntere Kuppe des Buahat
verdeckten, waren von Zeit zu Zeit mit einer dünnen
Schneeschichte beifegt, die aber immer nach einem Sonnenschein
yon wenigen Stunden wieder verschwand. Nach
Süden zu erblickte man in weiter Ferne imposante Bergzüge
, welche der Provinz Bellessa ängehörten, nach
Westen aber fällt die grünende Hochebene ziemlich steil
in das Shoada-Thal ab, dessen entgegengesetzte Seite
die Hochfläche von Woggera trägt. Die unteren Wände
jenes Thaies sind mit Strauchwerk bedeckt; gegen die
Höhe hin aber zeigt sich dasselbe nur längs der Ausflötzungen,
durch welche die zahlreichen Bäche in schäumenden
Cascaden dem Bellegas zueilen; je mehr man auf
den immer sich schlängelnden Pfaden, am steilen Abhange
der die Wände bildenden Lava-Ablagerungen herabsteigt,
um so kräftiger und zahlreicher wird das Buschwerk. Stellenweise
wird dasselbe noch durch eine vorspringende
nackte Felsgruppe, dem nächtlichen Lieblingsaufenthalt
zahlreicher Affenfamilien, unterbrochen; und mancherlei
Blumen, damals insgesammt in schönster Entfaltung dastehend
, verbreiten einen kräftigen Duft. Am Flussufer
selbst prangen schöne Gruppen verschiedener Hochbäume,
unter deren dichtem Schatten die Kirche Anarakai verborgen
liegt, neu erbauet seit der Verwüstung, welche in
diesem Theil Simen’s, im Jahr 1830, die wilden Horden des
Ras Maria angerichtet hatten. Einige ärmliche, von den
zur Kirche gehörigen Priestern bewohnte Hütten, standen
in der Nähe. Mehrere sorgfältig angebaute Grundstücke,
unter ihnen auch blühende, zum Behuf der Oelbereitung
angesäete Fluren von Flachs, vermehrten den mannich-
faltigen Reiz der Landschaft, die überdiess durch das verschiedenartige
Grün der Baumgruppen, das buntfarbige
Gefieder der Vögel, die mit der kalten Luft von Entschetqab
lieblich contrastirende milde Tageswärme, das Rauschen
der vielen Wasserfälle und durch die gefälligen Körperformen
der die Gegend belebenden Jugend stets eine
freudige Gemüthsstimmung erweckte *).
Der "vorerwähnte Kriegszug des Ras Maria hat den
Wohlstand der Bewohner dieses Thals sehr zerrüttet; und
noch steht die Zahl der Viehherden in gar keinem Ver-
hältniss mit den herrlichen Weiden. Der ehemalige Reichthum
an Hausthieren hatte, wie natürlich, auch die Zahl
der Raubthiere gemehrt, und die jetzt verhältnissmässig
kärglichere Beute musste ihre Kühnheit verstärken. So
kam es denn, dass einst, unfern des Lagerplatzes meiner
Jäger, ein kolossaler Leoparde bei hellem Tage einen unserer
Esel anpackte; er ward indessen noch zeitig genug
*) Auch Pearce, Yol. 1. pag. 229, spricht mit Enthusiasmus von
Shoada; wenn aber er oder sein Herausgeber sagt: „Thebanks ofthe
stream of Shoada (d. h. des Bellegas) are covered with onions, peaches,
limons, and other gardenfruits,” so muss ich bemerken, dass diese Art
von Vegetation bei meiner Anwesenheit nicht zu sehen war, vielleicht
auch hier nie oder höchstens nur ganz isolirt existirt hat.