
kannt *). Obgleich man mich versicherte, dass diese Handschrift,
was allerdings leicht der Fall seyn kann, der einzige
jetzt noch existirende Codex jenes Werkes sey, so nahmen
die Priester doch keinen Anstand, das seltene Werk mir
zu verkaufen, wiewohl freilich zu einem etwas hohen Preis.
Die Priester jeder Kirche wohnen immer in kleinen
Häusern, die sich innerhalb der Mauer befinden, welche die
Kirche sammt den sie beschattenden Baumgruppen gewöhnlich
umfasset. Dieser abgeschlossene Raum wird als ein heiliger
Ort betrachtet, der gegen Plünderungen gesichert ist;
und wirklich sind die meisten Hütten der Priester mit allerlei
Habseligkeiten angefüllt, die man hier besser als
im eigenen Hause geschützt glaubt. Aber wenn auch die
Egide der Religion in der Regel die Diebe vom Eindringen
in diese Freistätten abhält, so gewährt sie doch keinen
vollkommenen Schutz; denn es geschieht öfters, dass
Plünderungssüchtige Feuer an eine jener Hütten anlegen,
und dann alles, was vor den Flammen gerettet wird, wegnehmen.
Feuersbrünste sind übrigens in Gondar ein keineswegs
seltenes Ereigniss; ich erlebte deren vier in einem
ziemlich kurzen Zeiträume. Die Strohdächer und der Mangel
an Wasser in der Stadt selbst befördern dieselben sehr, und
wären nicht die Häuser durchgehends durch die Hofräume
von einander getrennt, so müsste die Verheerung des Feuers
sehr schrecklich seyn **). Vor mehreren Jahren sind nach
*) Commentarius historiae aethiopicae, pag. 352.
**) Ich habe schon weiter oben (p. 84.), bei der Beschreibung der
Wohnungen von Gondar bemerkt, wie man vermittelst der Bauart derselben
seine Habseligkeiten gegen das Feuer schützt. Ich selbst machte
es mir zur Kegel, in meiner Wohnung immer mehrere grosse Humpen
mit Wasser bereit zu haben, welche Vorsicht vielleicht auch späteren
Reisenden zu empfehlen seyn möchte.
der Versicherung Lik Atkum’s bei dem Niederbrennen einer
hiesigen Kirche viele werthvolle historische Manu-
scripte zu Grunde gegangen, und er selbst bejammerte mir
oft den durch Feuer erlittenen Verlust einer ausführlichen
Landeschronik, die sein Vater niedergeschrieben hatte.
Ich benutzte die Anwesenheit eines in Gudjam gebürtigen
Priesters, AJaba Gabreoahet, der das Arabische geläufig
sprach, um einigen Unterricht in der Geez-Sprache
zu nehmen, oder vielmehr um mit ihm die erkauften abys-
sinischen Manuscripte zu lesen und sie mir wörtlich ins
Arabische übersetzen zu lassen, wobei ich den Inhalt sogleich
entweder vollständig oder der Hauptsache nach deutsch
niederschrieb. Dieser Abba Gabreoahet hatte die achtzehn
ersten Jahre seines Lebens in seinem Geburtslande Gudjam
zugebracht, lebte dann neun Jahre am Hofe von Shoa
zu Ankobar, besuchte während dieser Zeit dreimal das
Kloster Lalibela in der Provinz Lasta, ging nachher auf
eilf Jahre nach Egypten und zwei Mal von dort nach Jerusalem,
und lebte nun seit vierzehn Jahren wieder in Abyssinien.
Sein gründliches Verständniss der Arabischen, Geez-
und Amhara-Sprache und seine ziemlich guten geographischen
Kenntnisse von Abyssinien waren mir von dem wesentlichsten
Nutzen, um erklärende Noten bei meinen Chro-
nik-Uebersetzungen zu machen. Er diente mir — natürlich
hiebei, wie in Bezug auf alle seine Dienste mit harten Tha-
lern genügend belohnt— aufeh bei mehreren Gelegenheiten
als Dolmetscher, namentlich bei den Priestern der Kirche
von Koskam. Lik Atkum mochte übrigens diesen Mann nicht
wohl leiden, und führte mich daher, wenn er mir etwas
recht deutlich in arabischer Sprache erklären wollte, immer
zu einer gewissen Sitte Mariam, einer in der Umgegend gebürtigen
Frau von vornehmer Abkunft, die in ihrer Kind