
Unter den vielen Besuchen, welche in Kiratza meine
Zeit in Anspruch nahmen, war auch der des Djeaz Gu-
bana, eines nahen Anverwandten des Ras Gugsa, welcher
früher in Damot befehligt hatte, später aber, als er sich
gegen Gugsa’s Söhne auflehnte, besiegt worden war und
sich in das hiesige Asyl geflüchtet hatte, welches zu verlassen,
durch die Partei des Ras A li, ihm bei Lebensstrafe
verboten war. Gewöhnlich war er von etwa zwanzig
bewaffneten Bedienten begleitet, deren Betragen wirklich
unausstehlich insolent war. Einmal wollten sie sogar meine
eigenen Leute innerhalb des Bezirks der Stadt berauben;
glücklicher Weise eilte aber das mir befreundete Oberhaupt
der Geistlichkeit, Abba Oeled Georgis, herbei, und
befreite meine von jenen bereits umzingelten Diener. —
Dass ich mich gar nicht an die eben jetzt von den hiesigen
Christen streng beobachteten Fasten kehrte, erregte
bei denselben einiges Aufsehen; ich rechtfertigte mich indessen
bei der Geistlichkeit durch die Versicherung, dass
ich bei meiner Abreise Gesundheits halber einen eigenen
Dispenz erhalten hätte, weil nämlich nur die Gewohnheit
von früher Jugend an es möglich mache, die mit abyssi-
nischem Oel zubereiteten Speisen ohne Nachtheil zu o-e-
niessen. Dieses Oel ist wirklich von einem äusserst unangenehmen
Geschmack. Es wird aus den Samenkörnern
der Pflanze Nuk *) bereitet, indem man dieselben etwas
röstet, dann in einem grossen Holzmörser einige Stunden
lang stampft, und das auf diese Weise entstehende klebrige
Mehl mit Wasser mengt und umrührt, wobei nach
*) In Murray’s Appendix zu Bruce’s Reise ist auf Tafel 52 eine
Abbildung dieser Pflanze unter dem Namen Polymnia frondosa veröffentlicht.
Decandolle führt sie als Guizotia oleifera auf.
und nach das Oel sich auf der Oberfläche schwimmend
ausscheidet.
Für meine Rückreise nach Gondar, welche ich am 20.
März antrat, hatte Abba Oeled Georgis die Gefälligkeit,
mir zur Beschützung zwei seiner Diener mitzugeben, natürlich
gegen eine ihnen zu leistende Geldvergütung. Der
Hauptzweck, den jener Geistliche dabei hatte, war übrigens
wohl der, vermittelst dieser Diener von Gondar aus
sogleich die verschiedenen Arzeneien zu erhalten, welche
ich vielen meiner Bekannten für gewisse contagiöse Krankheiten
versprochen hatte, mit denen der grösste Theil der
erwachsenen Bevölkerung behaftet war. Unser Weg ging
nicht über Bada, sondern mehr am Seeufer her. Am Ende
des ersten Tages verschafften uns unsere Begleiter in einer
Gruppe ephemerer, von Nomaden bewohnter Strohhütten,
ein sicheres Nachtquartier, und am nächsten Morgen kamen
wir durch das Dorf Mensuro glücklich in Gondar an.
§. 7.
Letzter Aufenthalt in Gondar und Reise von da nach
Axum.
Die Berichte über die neueren politischen Begebenheiten
waren nichts weniger als beruhigend. Ras Ali und
Djeaz Confu hatten zwar in Gudjam den Djeaz Gobes
Matantu zurückgedrängt, jedoch ohne ihm eine Schlappe
beibringen zu können. Man erwartete daher, dass dieselben
bei herannahender Regenzeit sich unverrichteter Sache
zurückziehen müssten, und Ali Faris von Lasta schien sich