
gefunden haben würde. Wie sehr war ich überrascht und
erfreut, als am 4. October wider Erwarten mein Bote mit
Getana Mariam, sechs mit Luntenflinten bewaffneten Bedienten
desselben, und der nöthigen Zahl Lastträger in
Entschetqab ankam! Auf Getana Mariam’s Rath übergab
ich alsbald dem hiesigen Gouverneur einen prachtvollen
Scharlachmantel und mehrere fein geschliffene Krystall-
becher als Geschenk für seinen abwesenden Herrn Djeaz
Ubi, obgleich ich bereits bei meiner Herreise die grosse
bronzene Kirchenglocke demselben hatte überreichen lassen.
Es war nämlich bei der gegenwärtigen Lage der
Dinge durchaus nöthig, mir durch dergleichen Mittel einen
sichern Halt zu verschaffen, zumal da ich auf meinem
Rückwege zur Küste, mochte ich nun die Strasse von
Walkeit, von Shire oder von Simen einschlagen , jedenfalls
durch Ubi’s Gebiet kommen musste; und da Ubi’s Empfehlung
an die jetzigen Machthaber in Dembea und Be-
gemder mir von wesentlichem Nutzen seyn musste. Ich
habe bereits früher bemerkt, dass ich bei meiner Ankunft
:?u Entschetqab auch dem Schellika Getana ziemlich werthvolle
Geschenke machte, und ihm unter ändern auch einmal
auf sein dringendes Verlangen einige Thaler Geld
gab. Wenn ich nun dagegen, während meines ganzen hiesigen
Aufenthalts, ausser einem Schafe, zwei kleinen Töpfen
Honig und einer geringen Quantität Butter, welches
zusammen genommen einen Werth von höchstens anderthalb
Thalern an Geld hatte, nie irgend ein anderes Geschenk,
weder vom Gouverneur selbst, noch im Namen
Ubi’s empfing, so musste es mich nicht wenig befremden,
als Schellika Getana in meiner Gegenwart und im Beiseyn
vieler Anderen dem Getana Mariam sagte, er habe während
meines Hierseyns, in Auftrag Ubi’s^ mich stets mit
allen Lebensbedürfnissen reichlich versorgt. Dass nicht
etwa, was hier, wie überall in diesem Lande leicht hätte
der Fall seyn können, eine Betrügerei seiner Bedienten
dabei im Spiele war, geht daraus hervor, dass er die erwähnten
Kleinigkeiten jedes Mal eigenhändig mir selbst
oder einem meiner Leute übergeben, und mich, wie diess
in ganz Abyssinien der Gebrauch ist, im letzteren Falle
nachher stets über den richtigen Empfang befragt hatte.
Da ich ^übrigens auch auf gastfreie Bewirthung nie Anspruch
gemacht, sondern vielmehr dieselbe vorkommenden
Falls stets dankend abgelehnt hatte, so kann ich jene
prahlende Aeusserung nur als einen charakteristischen
Zug des Wesens der Abyssinier ansehen.
Die zuweilen gemachten kleinen Versuche, mir Geschenke
abzunöthigen abgerechnet, habe ich im Ganzen
genommen Ursache, mit der mir in Simen zu Theil gewordenen
Aufnahme und Behandlung zufrieden zu seyn.
Man liess mich im Allgemeinen ungestört meinen Beschäftigungen
nachgehen, nahm keinen Anstoss daran, dass
ich die Fasten nicht hielt, und kümmerte sich eben so
wenig um meine Bearbeitung der eingesammelten Thierkörper,
obgleich man gegen diese Beschäftigung, als vermeintlicher
Weise äusserlich verunreinigend, ein starkes
Vörurtheil hatte. Wenn ich gerade nicht zum Empfang
der vielen mir gemachten Visiten aufgelegt war, so liess
man sich unverdrossen auf einen ändern Tag bescheiden.
Unter diesen Besuchern befanden sich alle möglichen Arten
hiesiger Standespersonen, beiderlei Geschlechts, und sie
hatten mitunter die allerauffallendsten Absichten dabei,
welche hier anzugeben nicht wohl thunlich ist, die mir
aber reichen Stoff zur genaueren Erkenntniss des abyssi-
nischen Nationalcharakters darboten.