
Unmittelbar nach der Audienz bei Ubi setzte ich mich
in Marsch, um wieder zu meinen Leuten zu kommen, von
welchen ich mich vier Tage vorher zu Dobark getrennt
hatte. Wir mussten einen grossen Theil des von Sauana
nach Adarga führenden Weges zu Fusse machen, weil er
für Thiere allzu schwierig ist. Derselbe windet sich meisten-
theils an einer senkrechten Felsenwand neben furchtbaren
Abgründen hin, so dass auf ihm kaum ein unbeladenes
Maulthier sicher hindurch kommen kann. An mehreren Stellen
würde es sogar für Menschen unmöglich seyn, vorbeizuklettern,
wenn nicht an der ganz lothrechten Felsmasse auf
künstlich angelegten Baumstämmen ein Pfad geschaffen wäre;
aber auch diess ist mit so wenig Geschick gemacht, dass man
wirklich einige Male in grösser Lebensgefahr schwebt. Auch
das dornige Gesträuch, welches aus jedem Felsspalt dieser
vulkanischen Massen wildwuchernd hervorstarrt, vermehrt
das Beschwerliche des Marsches in hohem Grade. Ein feindlicher
Angriff auf diesem Wege ist unmöglich, oder doch
wenigstens leicht abzuwehren. Eine Stunde lang gingen
wir in vorzugsweise nördlicher Richtung, dann wandten
wir uns nach W^est-Nordwest und W^est. Wir sahen auf
unserem Wege in der Ferne den in der Kulla gelegenen
dreizackigen Vulkan Ankodib, der mir jedoch hier Sanan-
fera benamt wurde; erlag 80° südwestlich des magn. Merid.
von uns. Auf dem ganzen Wege kamen wir nur an einigen
wenigen Ansiedelungen vorbei; nirgends war eine zur
Cultur benutzte Stelle zu sehen| desto mannichfaltigere
pittoreske Ansichten aber gewährte die wilde Landschaft.
Nach siebenstündigem Marsch zog die sonderbare, schlanke
Gestalt einer rechts vom Wege sich erhebenden vulkanischen
Felsmasse unsere Aufmerksamkeit auf sich: sie hatte
eine Höhe von etwa dreihundert Fuss und einen durchschnittlichen
Durchmesser von nur fünfzig Fuss, und ist
vermuthlich der nämliche Felsen, welcher aus dem gleichen
Grunde auch dem Bruce ganz besonders auffiel, und den
er mit einer riesennnissigen Säule verglich *). Den von
ihm in der Nähe desselben erwähnten, ziemlich grossen
Marktflecken Haüza, dessen Name mir H a u a sa ausgesprochen
wurde, erreichten wir eine Viertel-Stunde später, als
wir die Felsensäule passirt hatten. In diesem Orte wird
jeden Sonnabend ein stark besuchter Wochenmarkt gehalten;
ein grösser Theil seiner Bewohner besteht aus ma-
hommetanischen Handelsleuten, von welchen mehrere di-
recte Geschäfte mit Massaua und den von heidnischen
Galla’s bewohnten Districten im Süden von Damot und
jenseit des Abai machen.
Wir hatten viel zu zanken, um für uns und unsere
Maulthiere Obdach und Nahrung zu erhalten, was zu fordern
wir durch die Begleitung des Officiers Ubi’s berechtigt
waren. In solchen Fällen erlangt man in Abyssinien
durch gute Worte und Nachgiebigkeit gar nichts, sondern
man muss mit aller Strenge und Festigkeit auf der Ablieferung
der herkömmlichen Rationen bestehen. Am Abend
erhob sich ein heftiger Sturm aus Südwest mit Windwirbel,
aber ohne Regenschauer; diess ist der gewöhnliche Vor--
bote der heranrückenden Regenzeit, und ward von mir
auch in Nubien und Arabien regelmässig beobachtet. Von
Hauasa bis zu dem Lagerplatz, an welchem meine direct
über den Lamalmon-Pass gegangenen Leute auf mich warteten,
war eine Wegsstrecke von zwei Stunden in nordwestlicher
Richtung. Es ging durch eine felsige vulkani-
*) Bruce, Vol. 3. pag. 184. Dieser Fels hat viele Aehnlichkeit mit
dem auf Taf. 64. in Humboldt’s Reisen abgcbildeten Sommet de la
montagne des Organos d’Actopan.