
wobei meine Gefährten immer in Furcht waren, von den
vermeintlichen Räubern verfolgt zu werden. Ich hatte wegen
der in der Dunkelheit der Nacht nicht zu vermeidenden
Dornen Schuhe angezogen; diese verursachten durch
Anschlägen an die losen Steine öfters Geräusch, und die
Furcht von Saifu war so grosS, dass er mir desshalb zu-
muthete, die Schuhe wieder auszuziehen, was ich aber rund
abschlug. Bei dieser Veranlassung lernte ich auch den Grund
kennen, warum selbst die mächtigsten abyssinischen Häuptlinge
sich gewöhnen barfuss zu gehen, um nämlich uicht
im Fall einer Flucht oder eines Ueberfalls durch das Geräusch
schlappender Sandalen sich in grössere Gefahr zu
bringen. Ich hatte erwartet, noch fernere Signalschüsse von
Abdalla zu hören; aber ich lauschte vergebens darauf, und
nun fing auch ich an zu glauben, dass ein Räuberanfall
seinem Leben ein Ende gemacht habe.
Nach ungefähr einer Stunde kamen wir in die Nähe des
Dorfes. Kerker. Hier trennten wir uns: ich ging mit einem
von Saifu’s Leuten auf das Dorf los, um hier zu übernachten
und dann am folgenden Morgen entweder mit dem lebend
aufgefundenen Abdalla den Weg nach der Kulla fortzusetzen,
oder, im Falle er verunglückt sey, unverzüglich
nach Gondar zurückzukehren. Saifu dagegen marschirte mit
seinen übrigen Leuten einen grossen Theil der Nacht durch,
bis er den Sania-Strom , drei und eine halbe Stunde nördlich
von Kerker, erreichte. Als wir an das Dorf Kerker gekommen
waren, und einige Leute anriefen, die bei abgeschnittenem
Getreide Wache hielten, schleuderte man statt
der Antwort einen tüchtigen Hagel Steine gegen uns, von
denen glücklicher Weise kein einziger traf. Man wollte uns
lange unter keiner Bedingung herankommen lassen, und es
bedurfte der ganzen Beredsamkeit meines Begleiters, um
friedsame Gesinnungen zu erregen. Endlich, nachdem wir
das uns Begegnete ausführlich dargelegt hatten, erlaubte
man uns, die Nacht über bei einigen Eseln, innerhalb einer
Dorneneinzäunung, zuzubringen, und versprach uns, am
nächsten Morgen gemeinschaftlich mit uns Nachforschungen
anzustellen, für welches alles ich gehörige Belohnung zusicherte
*). Nach und nach wurden wir mit den Hausbewohnern
ziemlich vertraut, und zuletzt überraschten uns
dieselben sogar mit einem aus Brod und Milch bestehenden
kärglichen Nachtessen.
Am folgenden Morgen (28. December) brach ich mit
dem Hausherrn in aller Frühe auf, um über das Schicksal
des Abdalla Kunde zu erhalte» Wir w'aren ’kaum eine
halbe Stunde weit gegangen, als ich zu meiner grössten
Freude denselben mit dem Diener des Saifu und meinem
Maulthiere an einem Gebüsche gelagert fand. Bald nachdem
Abdalla am gestrigen Abend mit den Lastthieren etwas
zurückgeblieben war, stürzte unversehens der beladene Esel
an einer steilen Wegstelle einige zwanzig Fuss herab;
alle Versuche ihn wieder aufzurichten, selbst nachdem er
ganz abgeladen war, blieben fruchtlos, da er, wie es scheint,
das Rückgrat gebrochen hatte. In dieser Verlegenheit schoss
Abdalla die Doppelflinte zweimal los, um uns zu benachrichtigen,
dass er Hülfe bedürfe. Mehr Signalschüsse konnte
er nicht geben, weil ich zufälliger Weise an unserer Rast-
und Opferstelle auf der Wasserscheide sein Pulverhorn
abgehängt h atte, und er also nicht mehr laden konnte.
Als auf seine Signale Niemand erschien, blieb ihm nichts
*) Zwei blauseidene Litzkordeln zum Umhängen am Ilalse und ein
blau und weiss gedrucktes baumwollenes Sacktuch, beides ungefähr ein
Viertel Species-Thaler werth. Auf Reisen in Afrika hüte man sich ja
vor unzeitigem Geiz und noch mehr vor unpassender Verschwendung.
10*