
hundert Fusssoldaten zusammen zu bringen gewusst. Mit
diesen fiel er, den günstigen Umstand benutzend, dass Ubi
damals gerade mit des Sabagadis Söhnen und namentlich
mit dem Schum Michael in der Provinz Agamö beschäftigt
war, rasch in Simen ein, um mit gewaffneter Hand das
ihm von seinem Vater zugedachte Erbe zu erlangen. Am
3. December nun kam ganz unerwartet die Kunde nach
Gondar, dass Mersu mit einer zügellosen Bande im Dis-
tricte Emfras, vierzehn Stunden südöstlich von hier, angelangt
sey, und seinen Weg nach Simen über Gondar zu
nehmen beabsichtige, vermuthlich um durch die Plünderung
der wehrlosen Stadt seinen Truppen zu einem hartnäckigen
Kampfe Muth zu machen, oder wahrscheinlicher, um
dadurch eine grössere Zahl von Kriegern zu seinem Corps
zu locken. Ein panischer Schrecken ergriff bei dieser Nachricht
die Bewohner von Gondar. Jedermann eilte seine Habseligkeiten
in irgend eine Kirche oder in das Quartier des
Etscheghe zu’ flüchten, wo man gegen Plünderung sicher
zu seyn glaubte. Auf Anrathen von Getana Mariam packte
auch ich meine vorzüglichsten Sachen zusammen, um mit
denselben in seine Wohnung zu flüchten, wo wir gemeinschaftlich
uns mit unsern Leuten und Feuerwaffen bis auf
das Aeusserste zu vertheidigen beschlossen hatten; unsere
Maulthiere aber schickten wir an einen sichern Ort ans
Ufer des Zana-Sees.
Bei diesem allgemeinen Schrecken gab sich die Erbärmlichkeit
der hiesigen Einwohner recht deutlich zu erkennen.
Weit entfernt sich zu verbinden, um mit gewaffneter
Hand gemeinschaftlich ihr Eigenthum gegen die zu befürchtende
Plünderung zu vertheidigen, was ein Leichtes
gewesen wäre, da man in Gondar wenigstens vierhundert
Flinten hatte, von Mersu’s Soldaten aber kein einziger eine
Feuerwaffe besass, trug man vielmehr selbst die Flinten in
die Kirchen, um zu verhindern, dass sie mit geplündert
würden. Ein Theil der Einw’ohner benutzte das Zusammenhäufen
von Effecten, um am 4. December Abends eine der
Kirchen in Brand zu stecken. Das Feuer zerstörte sechszehn
Wohnungen, und alles, was in die Kirche geflüchtet worden
war, ward eine Beute der Diebe. Glücklicherweise unterblieb
die gefürchtete Plünderung der Stadt; denn Marsu,
seiner geringen Streitkräfte sich bewusst, und vermuthlich
auf das Glück rechnend, welches im Kriege rasch und kühn
ausgeführte Operationen zu begleiten pflegt, rückte auf einem
östlicheren Wege über Shoadanach Simen zu vor. Ich
detachirte Theodor Erckel schleunig wieder an die Ufer
des Zana-Sees, um die naturhistorischen Einsammlungen
fortzusetzen, während ich selbst zu Gondar mich mit den
Vorbereitungen zu einer längeren Jagdexcursion nach der
nordwestlich von hier gelegenen Landschaft beschäftigte,
welche von den Abyssiniern mit dem Namen der Kulla,
d. h. Niederung, bezeichnet wird. Diese von Menschen wenig
bewohnten Gegenden beherbergen eine um so grössere
Menge und Mannichfaltigkeit wilder Thiere. Zahlreiche
Herden furchtbarer Büffel, kleine Familien von Elephan-
ten, einige menschenscheue Rhinoceros, blutdürstige Löwen
und Leoparden, verschiednerlei Affen und Antilopen tummeln
sich hier auf den grossen gemeinschaftlichen Weideplätzen
herum, und locken stets, besonders die beiden zuerst
genannten Thierarten, kühne Jäger zu regelmässigen Ex-
cursionen herbei. Dass diese Jäger die dabei zu bestehenden
Gefahren gern vergrössern, ist leicht zu begreifen. Es
ward aber dadurch unter den Abyssiniern eine zu arge Vorstellung
von der Kulla herrschend, und meine Freunde in
Gondar geriethen desshalb in eine Art von Entsetzen, als