
seine Hände bei der Audienz nie sichtbar wurden. Sein
entblösstes Haupt war mit grauen Locken bedeckt und entbehrte
jedes künstlichen Schmuckes. So viel ich in der Dunkelheit
des Zimmers gewahren konnte, sind seine Augen
lebhaft und seine Gesichtszüge freundlich. Er sass ßrst seit
dem letztverflossenen 10. September auf dem Thron, auf
welchen ihn Ras Ali, nach dem am 8., Juni 1832 erfolgten
Tod seines Vorgängers Gebra Christos, erhoben hatte. Zu
beiden Seiten des Kaisers stand ein Diener, oder vielmehr,
um ihn nach unserer Ausdrucksweise und richtiger zu bezeichnen,
ein Kammerherr. Diese waren bis an die Hüften
entblöst, und hielten jeder einen Fliegenwedel, mit
dem sie fortwährend vor ihrer Majestät die Insecten verscheuchten.
Wenn der Kaiser hustete oder ausspuckte, so
hielten sie schnell ein grosses Tuch vor sein Antlitz, wahrscheinlich
damit man seinen Mund nicht erblicken könne.
Beim Eintritt in das Zimmer fiel jeder meiner abys-
sinischen Begleiter auf die Kniee nieder und verneigte sein
Haupt bis auf den Boden. *) Ich für meine Person bezeigte
dem Kaiser meine Ehrerbietung einfach dadurch,
dass ich meine Hand auf die Brust legte, worauf er mir
andeutete, mich auf die Erde zu setzen. Dieselbe Erlaub-
niss erhielt auch Lik Atkum; alle andere Anwesenden aber
mussten stehen bleiben. Nachdem ich mit den herkömmlichen
Ausdrücken den Kaiser begrüsst hatte, und einige
allgemeine Redensarten über Befinden u. dgl. m. gewechselt
worden waren, redete mich der Kaiser etwa in folgender
Weise an: „E r bedaure recht sehr, dass ich in sehr
ungünstigen Zeiten nach Gondar gekommen sey. Derjenige;
*) Derselbe Gebrauch herrscht auch bei den Audienzen des Naib
von Arkiko: Siehe Th. L S. 217.
welcher jetzt den Titel eines Beherrschers von Abyssinien
trage, besitze so zu sagen gar nichts mehr von der Macht
und dem Ansehen, welche in früherer Zeit den Thron der
Kaiser, seiner Vorfahren, umgeben hätten. Die traurige
Lage, in welche neuerdings die Kaiser von Abyssinien gebracht
seyen, erlaube ihm nicht, sich Fremden, die seine
Hauptstadt besuchten, auf eine wirksam thätige Weise gefällig
zu erweisen; denn das Ansehen des Thrones sey so
sehr gesunken, dass Kaiser oft bloss nach der Willkühr
einiger ihrer Unterthanen ein und abgesetzt würden.“ Ich
erwiederte diese Worte, bei deren Schluss der Kaiser un-
willkührlich einen tiefen Seufzer ausstiess, mit folgender
Erklärung: „Alles habe in der Weltseine Zeit; wenn daher
jetzt Manches hier zu Lande nicht so sei, wie es seyn
könnte und sollte, so müsse man vertrauensvoll auf eine
Aenderung zum Besseren hoffen, die bei dem allenthalben
empfundenen Unbehagen allgemein gewünscht werde und
somit leicht und schnell kommen könne; denn wenn das
Volk ernstlich wolle, so werde auch die kaiserliche Würde
jenen Glanz und jene Selbständigkeit wieder erhalten, die
noch täglich einem jeden aus dem Anblick des uns umgebenden
zertrümmerten Palastes entgegenleuchte.“ Wie
es Gott gefallen wird, war die Antwort des Kaisers, und
nun folgte eine Pause. Nach einiger Zeit erklärte ich, dass
ich um eine Privataudienz mit einer weniger zahlreichen
Umgebung bitte, worauf sogleich die ganze Versammlung,
mit Ausnahme Lik Atkum’s, Getana Mariam’s und den beiden
Kämmerern, das Zimmer verliess. Jetzt überreichte
ich meine Geschenke, welche, obgleich von verhältniss-
mässig geringem Werthe, doch zu gefallen schienen, weil
sie unerwartet kamen. Getana Mariam hatte mich, und zwar
gewiss mit Recht, davon abgehalten, dem Kaiser, der ohne