
daselbst Pfirsiche, Limonen und ähnliche Gartengewächse
in grösser Menge gezogen werden; ich habe aber weder
etwas davon gesehen, noch auch, ungeachtet meines langen
Aufenthalts im benachbarten Entschetqab, je das Mindeste
davon gehört. Uebrigens schien mir die dortige Landschaft
ganz besonders geeignet zur Cultur des Maulbeerbaumes,
die daselbst eingeführt und zum Seidenbau benutzt, ein
für Abyssiniens Clima passendes und wichtiges Ausfuhr-
product liefern könnte, wenn je einmal Civilisation in diesem
Lande Eingang findet.
Wir erhielten mehrere Besuche von angesehenen Personen,
unter ändern auch von einem Prinzen, einem Sohne
des im Jahr 1818 verstorbenen Kaisers A ito G ualu.
Seitdem vor etwa fünfzig Jahren der Gebrauch abgekommen
ist, die männliche Nachkommenschaft der kaiserlichen
Familie auf dem Berge Weheni (der, wenn ich recht berichtet
wurde, in der Provinz Ferka liegt,) gleichsam als
Staatsgefangene festzuhalten, findet man von diesen besitzlosen
Prinzen fast in jedem fruchtbaren Landesdistrict
einen. Sie führen recht eigentlich ein Schmarotzerleben,
und allerdings bleibt ihnen auch nichts Anderes übrig,
indem ein angeborner Stolz ihnen nicht gestattet, sich um
einen Dienst zu bemühen, und bei dem aufgelösten Zustande
der Regierung für ihren Unterhalt durchaus nicht
gesorgt wird, seitdem die abyssinischeKaiserwürde zu einem
blossen Titel ohne Macht und Einkünfte herabgesunken
ist. Der hier in Shoada zu uns gekommene Prinz, dessen
Namen mir entfallen ist, war nur von einem einzigen Bedienten,
der ihm Schild und Lanze trug, begleitet, und
spielte desshalb eine sehr ärmliche Rolle, da man in Abyssinien
das Ansehen einer Person nur nach der Zahl der
ihn begleitenden, waffentragenden Bedienten beurtheilt.
Ungeachtet aller Armuth endete doch der Besuch zu
meiner grossen Verwunderung ohne Bettelei; der ausgesprochene
Zweck desselben war meine persönliche Bekanntschaft,
und der Prinz verliess mich mit der Erklärung,
dass er mich später in Gondar wieder aufsuchen
werde.
Bei dem Weitermarsch am 9. October ging unser Weg
in nordwestlicher Richtung eine Stunde lang ziemlich steil
bergauf, bis wir auf die wellenförmige Hochebene der
Provinz W o g g e ra gelangten, über welche wir in verschiedenen,
durch Hügel und Wasserabflötzungen nöthig
gemachten Windungen, aber vorzugsweise nach West zu weiter
zogen. Den Namen Woggera, oder vielmehr einen ihm
ziemlich gleichlautenden, fuhren in Abyssinien auch einige
andere Landstriche; und da diese insgesammt grasreiche
Flächen sind, so ist diess vielleicht die eigentliche Bedeutung
desselben *). So heisst zum Beispiel die grosse
Ebene östlich vom Dembea-See F o g a ra , und das südlich
von der Provinz Enderta gelegene Plateau F o g g i-
r a t **). Von Simen aus bis Gondar und selbst bis zum
Dembea-See, ist alles Gestein ohne Ausnahme ächt vulkanische
Felsmasse ***); in den Blasenräumen der Laven
hiesiger Gegend zeichneten sich namentlich zolldicke
Chabasit-Krystalle aus. So lange wir uns noch im eigentlichen
Shoada-Thale befanden, war die Umgebung unseres
*) Bruce, Yol. 3. pag. 215, dagegen, sagt freilich: „W oggera
signifie la province pjerreuse ou roccailleuse.”.
**) Nach Salt’s Angaben, pag. 489, soll übrigens diese Provinz mit
grossen Wäldern bedeckt seyn, die von allen Arten Wild gefüllt sind.
***) Tamisier, Vol. 4. pag. 35, spricht von pierres ä aiguiser, welche
sich in Woggera bei einem Orte Namens Massali Denghia in grösser
Menge finden, was ich sehr bezweifle.