
bündeten gestürzt wurden. So herrschten denn fortwährend
Bürgerkriege, welche in der Regel keinen ändern Zweck
haben, als einen durch Versprechungen und Eidschwüre
eingeschläferten Gegner zu verdrängen, und die Bewohner
einiger Districte, die in einem kurzen Frieden etwas Eigenthum
erlangt haben, auszuplündern. Die nothwendige
Folge davon ist eine stets zunehmende allgemeine Verarmung:
das Grundeigenthum hat beinahe gar keinen Werth
mehr; der Ackerbau wird immer mehr vernachlässigt; die
Viehherden sind ungemein zusammen geschmolzen; der
Verkehr ist wegen der grossen Unsicherheit oft ganz unterbrochen,
so dass mitunter in geringen Entfernungen die
Preise der Landeserzeugnisse auf kaum glaubliche Weise
von einander verschieden sind; die Circulation edler Metalle
endlich ist beinahe ganz verschwunden, und ich glaube
kaum, dass der Betrag des in ganz Abyssinien cursirenden
Gold- und Silbergeldes sich auf hundert tausend Species-
thaler beläuft.
Eigene Ausfuhrproducte hat Abyssinien gewissermas-
sen gar nicht; denn die Gefangenen, welche in den Bürgerkriegen
gegenseitig gemacht und als Sklaven zum Verkauf
ins Ausland zu Markte gebracht werden, sind doch
gewiss nicht als ein regelmässiger Handelsartikel zu betrachten.
Um den Betrag der wenigen Artikel zu berichtigen,
welche Abyssinien vom Ausland bezieht, müssen in
den südwestlich gelegenen Ländern das Gold, das Elfenbein,
der Moschus, die Sklaven u. s. w., welche man von
dort ausführt, billig eingehandelt und mit beträchtlichem
Gewinn an der Meeresküste vertauscht werden *). Die
*) Im ersten Bande, Seite 193, sind die sämmtlichen Ausfuhrartikel
Abyssiniens und ihr muthmasslieher jährlicher Betrag angegeben.
physische Beschaffenheit des Landes, welches von lauter
ganz unschiffbaren Flüssen und beschwerlich zu übersteigenden
Gebirgsketten durchzogen ist, gibt wenig Aussicht,
dass dieser Durchgangshandel jemals besonders
belebt werden könnte, wenn auch wirklich aus jenen Grenzländern
Abyssiniens ein bedeutendes Quantum von Ausfuhrartikeln
zu Markt gebracht würde. Uebrigens wäre
jedenfalls der Transport derselben durch das Nilthal nach
Egypten ein weit bequemerer und natürlicherer Weg. Dass
aber jemals durch Industrie in Abyssinien künstliche Handelsartikel
erzeugt werden, dafür ist vorerst keine Wahrscheinlichkeit
vorhanden. Dieses Land ist und war immer
sehr arm und wird es auch in Zukunft bleiben. Nie haben
desshalb ehrgeizige Eroberer ihre Blicke auf dasselbe geworfen,
und sogar dem habgierigen Mehemet Ali Pascha
scheint es nicht nach seinem Besitz zu gelüsten. Wenn dieser
Usurpator je einen Eroberungszug nach Abyssinien unternehmen
sollte, so geschieht es sicher bloss in der Absicht,
die wehrlose Bevölkerung als Sklaven wegzuführen; an
einen bleibenden Besitz des Landes aber würde er in
diesem Falle sicherlich nicht denken. So viel ist indessen
gewiss, dass der Erfolg eines abyssinischen Eroberungszuges
für Mehemet Ali nicht im Mindesten zweifelhaft
seyn würde, und dass, dieser Pascha dabei im Lande selbst
unter dem Raubgesindel der Bevölkerung Unterstützung
finden würde. Was die Invasion des mahommetanischen
Fürsten G ra n ie von Adel in der ersten Hälfte des sechszehnten
Jahrhunderts betrifft, so hatte dieselbe mehr in
religiösem Fanatismus als in politischen Zwecken ihren
Grund.
Der gänzliche Mangel an eignen Ausfuhrerzeugnissen
macht, dass die europäischen Staaten nur durch eine Art