
sehen Begleiter zu verdanken, dass ich endlich fiir einige
Geschenke und gegen Bezahlung von vier Speciesthalern
die Erlaubniss zur Weiterreise erhielt. Aber am nächsten
Tage wurden wir nach vierthalbstiindigem Marsche (in
nord-nordöstlicher Richtung) bei einem nach Südwesten
ablaufenden Bache Namens Mai Temen abermals zur Bezahlung
eines Zolles in Anspruch genommen und zu einem
unfreiwilligen Aufenthalte genöthigt. Auf dem ganzen
Wege hatten wir kein einziges bewohntes Dorf zu Gesicht
bekommen, überall erblickte man nur Ruinen verlassener
Ansiedelungen. Die allgemeine Physiognomie der Gegend
hatte sich nicht verändert, aber ein sanfter Südostwind
veranlasste eine ganz besondere Schärfe in den Contouren
der schneebedeckten Hochgebirge Simen’s, die dem südlichen
Horizont entlang einen herrlichen Anblick gewährten.
Der Vulkan Alequa lag 50° Südwest von jener Zollstätte.
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Schon war ein grösser Theil der Tageszeit des 1. Juni
in nutzlosen Verhandlungen über die Zollforderung verstrichen,
als ich die Freude hatte, meinen an Serrafel abgeschickten
Diener hebst zwei ihn begleitenden Leuten
dieses Häuptlings anlangen zu sehen. Sie überbrachten
die Weisung, dass ich ohne Hinderniss meinen Weg ziehen
könne, und der Zolleinnehmer musste sich nun mit
dem von mir freiwillig gegebenen Geschenk einer in Gon-
dar gegerbten rothen Ochsenhaut und einiger seidenen
Schnüre begnügen. Mit der dem erwähnten Befehlshaber
der Provinz Shire versprochenen Flinte, welcher ich etwas
Schiesspulver beifügte, schickte ich den einen seiner Leute
zurück • dem anderen > welcher mich bis an die Grenze
von Shire begleiten sollte, versprach ich dafür eine gute
Belohnung. Bei der Fortsetzung unsers direct östlichen
Marsches begegneten wir einigen Landleuten, denen kurz
zuvor Räuber ihre wenigen Habseligkeiten abgenommen
hatten. Wegen der fortwährenden verheerenden Kriege
ist zwar das allgemeine Elend in dieäem Theile Abyssi-
niens besonders gross; allein Raubanfälle waren dessenungeachtet
in dem District zwischen hier und Axum auch
früher stets an der Tagesordnung. Bewaffnete Europäer
haben davon gar nichts zu befürchten; denn nicht allein
ist Feigheit ein Charakterzug der Abyssinier, sondern es
herrscht auch bei ihnen, in Folge des Bewusstseyns unserer
intellectuellen Ueberlegenheit, zu Gunsten der Europäer
ein ganz besonderes Vorurtheil. Nach einem Marsche
von anderthalb Stunden kamen wir an ein ziemlich
tief eingerissenes Felsenthal, in w'elchem ein Bach, Namens
C am elo , nach Südosten fliesst; viele verkrüppelte
Dattelbüsche vegetiren zwischen den grossen Granitblöcken,
welche die Gesteinmasse dieses schmalen Thaies bilden.
Es ist dieses dem Anschein nach eine Fortsetzung des
Granitlagers, das ich im vorigen Jahre (2. Juni 1832)
zwischen Mai Quaror und Magab passirt hatte *). Wir
waren auf dem Sandstein-Plateau jenseit des Camelo-
Thales kaum zwei Stunden lang in östlicher Richtung
weiter gezogen, als wir bei dem Dorfe Bellas schon wieder
des Zolles wegen mehrere Stunden lang aufgehalten
wurden. Wer in Abyssinien mit Gepäck reist, muss sich
diesen unaufhörlichen Plackereien geduldig unterwerfen,
deren Hauptunannehmlichkeit übrigens doch nur in einem
grossen Zeitverlust besteht; denn wenn man sich mit den
Leuten, welche die ganz willkührlichen Zölle einfordern,
gehörig herumzankt, so lassen sie sich zuletzt gewöhnlich
*) Th. 1. S. 357.