
diess aber äusserst selten statt. Bei vermögenden Personen
ist hier, wie überall, eine Verehelichung die Veranlassung
zu reichlichen Ess- und Trinkgelagen, welche mehrere
Tage dauern. Gegen das Ende.derselben führt der Bräutigam
mit einigen seiner Freunde, auf Maulthieren reitend,
die Braut dem Schein nach gewaltsam aus dem elterlichen
Hause in das seinige. Jene scheinbaren Brauträuber pflegen
nach vollbrachter Eheverbindung bei den Bekannten
des jungen Paares umher zu gehen, und Geschenke für die
Neuvermählten zu erbetteln. Die Mädchen werden in der
Regel ungemein jung verheirathet, zuweilen schon in ihrem
neunten Jahre, einem Alter, in welchem selbst in Abys-
sinien die körperliche Entwickelung noch lange nicht reif
dazu ist. Das Alter des Bräutigams kommt bei keiner Eheverbindung
in Berücksichtigung *). Die Ehen sind durch-
gehends wenig fruchtbar; ich erinnere mich nicht, eine
Abyssinierin gesehen zu haben, die mehr als vier lebende
Kinder hatte, und man betrachtet allgemein diese Zahl als
eine Seltenheit. Eine eheliche Verbindung dauert nicht
häufig mehrere Jahre lang; denn bei der geringsten Uneinigkeit
trennen sich die G atten, worauf dann gewöhnlich
schon wenig Tage nachher beide Theile eine neue
Verbindung geschlossen haben. Der Bruch ehelicher Treue
ist meistens die Veranlassung zur Scheidung. Eifersucht
kennen übrigens die Abyssinier eben so wenig als wahre
Liebe. Da nun, wie eben bemerkt, der geringste etwas
ernstliche Zwist eine Eheverbindung durchgehends auflösst,
*) So erzählt z. B. Pearce, Yol. 1. pag. 101, dass der mehr als
siebenzigjährige Ras Oeled Selasse die noch nicht dreizehn Jahr alte
Oezore Sean, Tochter des Kaisers Teqela Georgis, heirathete; dieses
Mädchen hatte aber in Wahrheit noch nicht einmal ein Alter von zehn
Jahren!
so könnte man wohl den paradox klingenden Satz aufstellen,
dass in Abyssinien alle Eheleute in dem Glück
gegenseitiger Zuneigung leben, weil sie sich sonst trennen
würden. Gewöhnlich ist bei einer Scheidung kein gemeinschaftliches
Eigenthum zu vertheilen, und es handelt sich
daher bei derselben fasst nur um die in Hinsicht der Erziehung,
oder vielmehr Ernährung der etwaigen Kinder zu
treffenden Bestimmungen. Die Kinder fallen der Mutter
anheim; nur ist der Vater verpflichtet, bis zum achten Lebensjahre
derselben, für ihren Unterhalt zu sorgen, und
in Gondar muss er desshalb herkömmlicher Weise für jedes
Kind vier Stück Salz, oder ein Sechstel Thaler, monatlich
bezahlen. Zuweilen geschieht es, dass die nämlichen Personen
nach mehrjähriger Trennung sich aufs neue heirathen.
Die Taufe findet in der Kirche Statt, und zwar bei den
Knaben vierzig Tage, bei den Mädchen aber achtzig Tage
nach der Geburt, weil nach der Tradition der Abyssinier
Adam erst vierzig Tage nach der Schöpfung in das irdische
Paradies eingeführt wurde, und Eva ihm dahin vierzig
Tage später nachfolgte *). Knaben und Mädchen sind
der Beschneidung unterworfen, welche bei den Knaben am
achten Tage nach der Geburt vorgenommen wird; übrigens
beruht diese Handlung auf keiner religiösen Vorschrift,
sondern sie ist nur ein durch das Herkommen eingebürgerter
Gebrauch, der wahrscheinlich von der jüdischen Religion
entnomm'en ist. Für die intellectuelle Entwicklung der
Kinder wird im Allgemeinen gar nichts gethan. Noch weniger
aber denken etwa die Priester daran, unter der Ju*)
Schon Ludolf, Lib. III. Cap. 6. 36, hatte bekannt gemacht, dass
die Knaben vierzig Tage früher als die Mädchen getauft werden, ohne
jedoch die Veranlassung hiervon anzugeben.