
heit geraubt und nach Egypten in das Haus Elfi Beg’s als
Sklavin verkauft wurde, daselbst zwanzig Jahre zubrachte,
nach dessen Tod zu Cairo in dem Hause des bekannten
koptischen Schreibers Malern Ghali lebte, und dann wieder
mit dem eben erwähnten Abba Gabreoahet in ihr Vaterland
zurückgekommen war. Sie brachte ziemlich viel Geld
mit, wusste aber ihr Vermögen nicht gehörig zu verwalten,
und befand sich daher jetzt in ihren alten Tagen in nichts
weniger als glänzenden Verhältnissen.
In Gondar ist es, wie bei uns, Gebrauch, die Anwesenheit
eines befreundeten Fremden durch eine Schmauserei zu
feiern. Getana Mariam, Lik Atkum und Andere gaben mir
daher dieser Sitte gemäss Festmahle, welche sich von dem
gewöhnlichen durch nichts als eine reiche Spende von besonders
gutem Hydromel auszeichneten, an dem sich gewöhnlich
die ganze Gesellschaft übernahm. Auch der Kaiser,
obgleich er sich offenbar fortwährend in beschränkten
pecuniären Verhältnissen befand, erwieä mir diese Ehre,
indem er mich durch Lik Atkum zu einem Mahle auf den
26. November einladen liess. Vielleicht hatte er absichtlich
diesen Tag, den Vorabend der vierzigtägigen Weihnachts-
Fasten, gewählt, weil man sich an demselben durch reichlichen
Genuss von Fleischspeisen gütlich zu thun pflegt.
Ausser Lik Atkum, Abba Gabreoahet und mehreren jüngeren
Kindern des Kaisers wohnten dem Gastmahle noch
die Prinzen Gebra Joachim und Gebra Masgal, Söhne des
Kaisers Jasu, eines Neffen des Kaisers Joas, bei. Es ward
in demselben Zimmer gehalten, in welchem ich bei der Audienz
empfangen worden war. Der Kaiser blieb während
des Essens auf seinem Ruhebette im Alkoven sitzen. Die
Gäste liessen sich um ein vor demselben stehendes Tischchen
auf Matten nieder; für Lik Atkum und mich aber
hatte man ein eigenes mit rothem Tuche bedecktes Tabouret
hingestellt, auf welches unsere Speisen in besondern
Schüsseln aufgetragen wurden. Abba Gabreoahet, welcher
gleichfalls bei uns Beiden hatte Platz nehmen sollen, lehnte
die Theilnahme am Essen dankend ab. Ich weiss nicht, ob
wir desshalb ein besonderes Tischchen erhalten hatten, damit
wir die nicht sehr copiösen Gerichte reichlich und in
bester Auswahl erhielten, oder ob es etwa aus einer bestimmten
Etiquette geschah, indem man uns nicht für ebenbürtig.
hielt, aus der nämlichen Schüssel und am nämlichen
Tische mit dem Kaiser zu essen. Zwei Diener oder Kammerherrn
standen während der Tafel dem Kaiser zur Seite,
und hatten die Obliegenheit, denselben im wahren Sinne
des Wortes zu füttern; denn er selbst berührte keine Speise
mit der Hand. Nach Tisch ward reichlich gegohrenes Honigwasser
herumgereicht. Die gepflogene Unterhaltung war
fortwährend zwanglos und gab von allen Seiten her den
Wunsch, sich zu unterrichten, zu erkennen. Die Speisen waren,
abgesehen von der Idee einer kaiserlichen Tafel, weder
durch ihre Mannichfaltigkeit noch durch ihre Quantität
ausgezeichnet, und das ganze Mahl machte den Eindruck
einer „pauvre honnêteté“. Beim Weggehen sagte mir der
Kaiser, so Gott wolle, werde er mit seiner Familie mich
auf der Heimreise bis Jerusalem begleiten, allwo er zu
sterben wünsche.
Zwei Tage nach diesem Diner (28. November 1832)
kam die Nachricht vom Ableben des Kaisers Jonas nach
Gondar, der zwar schon im September gestorben war,
dessen Tod aber erst jetzt gemeldet wurde, weil der damit
beauftragte Bote, des Krieges wegen, einen weiten
Umweg hatte machen müssen. Jonas war über sechs und
siebenzig Jahre alt geworden. Nach der Absetzung des