
in der ersten Hälfte des Monats Mai bereits jeden Tag
ein Gewitter, wiewohl zu wechselnden Zeiten, bald Nachts,
bald Vormittags, bald, und zwar meistentheils, zwischen
zwei und fünf Uhr Nachmittags. Als nun am 15. Mai mein
nach Adowa geschickter Bote mit vierzehn robusten Lastträgern
bei mir anlangte, und überdiess berichtete, dass
gerade jetzt eine Art von Stille, das gewöhnliche Vorzeichen
einer politischen Krise, in Tigré herrsche: so entschloss
ich mich unverzüglich zur Abreise, um so mehr,
da auch Getana Mariam nur dann mich nach Adowa begleiten
zu können erklärte, wenn ich sogleich aufbräche,
indem er einige Zeit später seiner Handelsgeschäfte wegen
durchaus wieder in Gondar zurück seyn müsse, um nach
zwei Monaten selbst nach Massaua reisen zu können. Das
Letztere gewährte mir eine Art von Beruhigung in Betreff
des kranken Jägers Martin Bretzka, den ich, da er
weder gehen noch reiten konnte, nothwendig zurücklassen
musste. Ich versah ihn mit den gehörigen Geldmitteln, empfahl
ihn dem besondere Schutz meines Freundes Lik At-
kum, der ihn sogleich in seine Wohnung aufnahm, und
liess mir von Getana Mariam versprechen, dass er ihn auf
jeden Fall in drei Monaten zu mir nach Massaua bringen
W'olle.
Ich liess über meine bevorstehende Abreise nichts Bestimmtes
verlauten, und zwar nicht etwa aus Furcht, dass
mir dabei Hindernisse in den Weg gelegt werden würden,
wie diess früher die in Abyssinien reisenden Europäer, ich
weiss nicht aus welchem Grunde, immer für sich befürchtet
hatten; sondern ich wünschte vielmehr bloss zu vermeiden,
dass sich einige jener stupiden Priester mir beigesellten,
welche nach Jerusalem zu wallfahren pflegen, und von
denen bereits mehrere sich bei mir gemeldet hatten. Ihre
Gesellschaft wäre für mich nur höchst belästigend gewesen.
Als wir uns am 18. Mai (1833) in aller Frühe in Marsch
setzten, hatte sich eine grosse Zahl meiner hiesigen Bekannten
versammelt, um uns ein beträchtliches Stück Wegs
zu begleiten. Unter ihnen war auch Lik Atkum, dem in
aufrichtigem Schmerz über unsere Trennung die Augen
sich mit Thränen füllten. Auch mir that es herzlich weh,
von ihm zu scheiden, und ich kann nicht umhin, nochmals
zu erklären, dass er vor allen ändern Abyssiniern, die ich
kennen gelernt habe, sich durch rechtliche Gesinnung, ächt
freundschaftliches Wohlwollen und aufrichtige, von aller
Schwärmerei und Einseitigkeit freie Religiosität, in hohem
Grade auszeichnete. Ich meinerseits darf mir schmeicheln,
durch mein Verhalten gegen ihn in Betreff der Europäer
einen günstigen Eindruck auf ihn gemacht zu haben;
und es ist sehr zu wünschen, dass dieser wackere Mann
nicht durch das Betragen späterer Reisende in seiner Meinung
von uns irre gemacht werde *). Einzelne kleine
Schwächen desselben, wegen deren er von einigen ändern
Reisenden getadelt worden ist, wie z. B. einen gewissen
Stolz auf seine vornehme Abkunft und das bischen Eitelkeit
wegen seiner für Abyssinien gewiss ungewöhnlichen
literarischen Kenntnisse, kann und muss man ihm zu gute
halten. Besonders zu Dank verpflichtet bin ich ihm wegen
des hohen Grades, in welchem er die Zwecke meiner Reise
gefordert hat. Namentlich w'ürde ich, ohne seine Mitthei-
*) Die beiden Franzosen, Combes and Tamisier, haben nach ihrem
Berichte eine Zeit lang in Lik Atkum’s Hause gelebt, und zwar, wie
es scheint, ohne ihm desslialb eine Vergütung zu geben; denn sie sagen
selbst (Vol. 3. pag. 347) : „Nous avions fait à Gondar, (c’est une ville
de plaisir, les courtisanes y affluent, heisst es kurz vorher) des dépenses
folles, et nous étions sans argent pour continuer notre route.“