
Weiterreise nach Massaua antreten könne; Oeled Michael
erklärte in dieser Sache nichts bestimmen zu wollen, bevor
er nicht einen Vergleich mit Djeaz Serrafel von Shird
geschlossen habe; dann aber gedenke er mich selbst bis
nach Halai zu begleiten, wo er persönlich die englischen
Waffen in Empfang zu nehmen beabsichtige. Ich musste
also nach Adowa zurückkehren, um geduldig die Entwickelung
der Ereignisse abzuwarten; diese Verzögerung beunruhigte
mich aber nicht gerade sehr, weil die Verbindung
zwischen hier und Massaua nicht durch die Regenzeit unterbrochen
wird, indem auf diesem Wege keine bedeutenden
Gewässer zu passiren sind.
Vergebens bemühte ich mich, zuverlässige geographische
Notizen von den hier ansässigen Handelsleuten zu
erhalten; besonders war die vollkommene Ignoranz derselben
in Betreff der Beschaffenheit der nordwestlich von
Abyssinien gelegenen Districte und ihrer Bewohner zu beklagen.
Es existirt mit denselben gar kein Verkehr, und
die blosse Angabe der Namen einiger Stammabtheilungen,
ohne genauere Bestimmung ihrer Wohnsitze, war das alleinige
Resultat meiner Forschungen. Sie sind auf meiner
Karte mit beigefügten Fragezeichen angegeben. In Adowa
erfuhr ich, bei Gelegenheit der Erscheinung eines tollen
Hundes, dass diese Krankheit in Abyssinien keineswegs
ungewöhnlich ist, was um so mehr befremden muss, da
dieselbe weder in Egypten, noch in Nubien jemals beobachtet
worden ist. Der hier zu Land häufige Gebrauch
hitziger Nahrungsmittel, denen man spanischen Pfeffer und
andere Gewürze im üebermass beimischt, ist wahrscheinlich
d ie Veranlassung davon.
Eines Abends kam ein vertrauter Diener des Serrafel,
Befehlshabers von Shirö, in meine Wohnung geschlichen
und bat mich im Namen seines Herrn, es doch bei Herrn
Coffin dahin zu bringen, dass die erwähnten englischen
Waffen nicht seinem Gegner Djeaz Oeled Michael, sondern
ihm gegeben würden: wogegen er verspreche, in jegliche
Bedingung zu willigen, welche die briitische Regierung als
Ersatz verlangen werde. Auf meine Erklärung, dass ich um
dergleichen Dinge mich durchaus nicht bekümmere, und
überdiess nicht einmal' ein Engländer wäre, entfernte sich
der Diener alsbald wieder.
Ich beobachtete in Adowa eine grosse Reihe von Cir-
cummeridian-Höhen verschiedener Sterne, deren mittleres
Resultat die geographische Breite meiner Wohnung auf
14° 9' 50/y4 festsetzt; diese Behausung lag unmittelbar
neben der von Sabagadis erbauten Kirche Medhan al Alem
und ein Drittel der Stadt befindet sich nördlich, die anderen
zwei Drittel südlich von dieser Breitenparallele. Bruce und
Salt hatten hier gleichfalls die Polhöhe beobachtet, ohne
jedoch ihren Standpunct genau zu bezeichnen *). Ihre Bestimmungen
weichen von der meinigen bedeutend ab, und
es bleibt dahin gestellt, wer von uns das richtigste Resultat
erlangt hat. Uebrigens hätte Salt seine bei dieser Gelegenheit
gemachte Bemerkung, dass Bruce nicht angebe,
was für einen künstlichen Horizont er bei seinem Quadranten
gebraucht habe, weglassen können **), da dieselbe nur
seine vollkommene Unkenntniss eines Quadranten bewährt.
Während der ganzen Dauer meines Aufenthalts in
Adowa (3 — 19. Juni) war ziemlich heiteres, windstilles
W etter, von welchem nur ein einziges starkes Gewitter
am Abend des 7. Juni eine erhebliche Ausnahme machte;
*) Die Breitebeobachtung von Bruce ergab 14° 7' 57", die von Salt
14° 12' 30".
**) Salt, zweite Reise Seite 428.