
Im Westen des Takazzö erheben sich die imposanten
Gebirge von Simen, von deren Gipfel einige die Grenzen
des ewigen Schnees erreichen. Sie sind durchaus vulkanischer
Natur, aber längs ihrer vom Takazzö bespülten Basis
findet sich dieselbe Gebirgsformation wie auf dem östlichen
Ufer dieses Stromes, Schiefer in der Tiefe mit horizontalem
Sandstein überdeckt und vulkanische Lavakegel, die
den Letzteren durchbrochen haben.-In diesen Gebirgen
findet man bis zu einer Höhe von 8000 Fuss nichts als
mageres Strauchwerk, welches kärglich an den Felsen hervorsprosst.
Grasvegetation fehlt ganz, und der zu Ackerbau
benutzten Stellen sind sehr wenige. Diess ist der Charakter
der Landschaft der Provinzen Salemt und Adarga.
Beim weiteren Aufsteigen zu den höhern Gebirgsregio-
nen findet man den durcb zahlreiche Bäche befeuchteten
vulkanischen Boden mit schönen Alpenweiden überdeckt.
Spuren der ehemaligen Krater aber sind nicht mehr wahrzunehmen:
spätere Revolutionen haben durch ungeheuere
Spaltungen die zahlreich auf einander gelagerten Lavaschichten
schrecklich zerrissen, und in der Tiefe der Spalten
bildeten sich in noch jüngerer Zeit, durch neue Lavadurchbrüche,
einige isolirte konische Höhen. Auch in diesen
dem Anschein nach durch Feuchtigkeit und verschiedene
Wärme den Baumwuchs so sehr begünstigenden Gegenden
finden sich keine Waldungen, sondern nur Strauchwerk und
Zwerggehölz. Gegen die Schneeregion hin wird die Vegetation
durch jene fremdartige Gibarra-Pflanze (Rhynchope-
talum montanum Fresen.) charakterisirt, welche einen um so
auffallenderen Eindruck macht, da sie in einer kalten Luft und
in der Nähe des ewigen Schnees an die Form der Palmen erinnert.
Diese Pflanze und eine schöne Eriken-Art (Erica
acrophya Fresen.) sind die letzten Gewächse von einigem
Belang, die bis zu einer Höhe von beiläufig 12000 Fuss vegeti-
ren. Ein üppiger Wiesenteppich, auf welchem besonders viele
Kleearten wuchern, bedeckt die Felsmassen der noch höhern
Gebirgsregion, bis endlich mit 13400 Fuss das Gestein pflanr
zenlos sich ausbreitet, und seine nackten Flächen und Höhlungen
abwechselnd nur noch mit Schnee bekleidet sind*).
Der westliche Abfall des Simen-Gebirgs bildet vermittelst
der Hochfläche von Woggera eine Art von gestaffelter
Terrasse, welche unfern von Gondar ziemlich steil
nach dem kesselförmig von Höhen umgebenen grossen
Becken des Zana-Sees abfällt. Woggera und alle von mir
beobachteten Bergzüge in der Umgegend dieses grossen
Binnen-Sees bestehen ganz aus vulkanischen Felsmassen;
und der durch ihre Zersetzung höchst fruchtbar gewordene
Boden bildet eine herrliche Weidelandschaft, die aber auch
zum Ackerbau benutzbar ist. Der Zana-See selbst, jene
grosse Süsswassermasse, welche in elliptischer Form einen
Raum von etwa einhundert und fünfzig Quadratstunden einnimmt,
war einst wohl um die Hälfte grösser; aber im Lauf
der Jahrtausende haben die fortwährenden Schlammnieder-
schläge von zersetzter Lava, welche die Gewässer während
der Regenzeit von den Höhen abspülen, eine wagerechte
Bodenfläche an vielen Stellen seiner Ufer gebildet und so
nach und nach seinen Umkreis verengt. Die aufgelösten
vulkanischen Massen Abyssiniens sind, indem sie von den
zur Regenzeit anschwellenden Flüssen fortgeflöst werden,
die Elemente jener befruchtenden Erdablagerungen, welche
der Nilstrom längs seinem ganzen Laufe seit Jahrtausenden
*) v. Katte in seiner Reise nach Abyssinien S. 138. sagt: Die Gebirge
Abyssiniens zeichnen sieb keineswegs durch grosse Höhe aus!
Der Schnee ist so wenig bekannt, dass man nicht einmal ein
Wort dafür hat!