
Jeder war mit dem ihm gegebenen Geschenk sehr zufrieden,
ausgenommen der mahommetanische Zolleinneh-
mei Negade Ras Zadig-, der sich über die geringe Qualität
des ihm gegebenen Tuchs beschwerte, und daher von
mir verlangte, dass ich ihm fünfzig, in unbestimmter Zeit
zurückzahlbare, Species-Thaler leihen sollte. Nach einiger
Unterhandlung begnügte er sich mit zehn Thalern, an
deren Rückgabe aber, wie sich von selbst verstand, nie
mehr gedacht ward.
Unter den verschiedenen Besuchen, welche ich zur
Ueberreichung dieser Geschenke machte, steht in meiner
Beschreibung billiger Weise die Audienz bei dem Kaiser
voran. Ich verfügte mich in Begleitung von Lik Atkum
und Getana Mariam zu ihm. Wir besichtigten dabei zuerst
die Gebäulichkeiten der jetzt theilweise in Trümmern liegenden
Kaiserburg, die, wie schon gesagt, von Kaiser
Fasildas zu Anfang des siebenzehnten Jahrhunderts erbaut
worden war *). Um dieselbe herum läuft eine noch in
ziemlich gutem Zustande befindliche Ringmauer mit Zinnen,
die einen unregelmässigen länglichen Raum von beiläufig
zwanzig Minuten Umfang einschliesst. Drei durch
Thürme gehende gewölbte Thorwege führen zum vordem,
auf der Südseite befindlichen, grossen Hofraum, und zwar
zwei (g h ) von dem grossen Marktplatze her und der
dritte aus dem Stadtquartier Etscheg'hebed. In diesem vordem
Hofe stösst man vor allem Ändern auf die Trümmer
einer grossen Halle (b), zu welcher ein weiter Bogen den
Eingang bildete; mehr nach Westen zu erblickt man die
Ruinen einiger kleinen zierlichen Gebäude von mehreren
*) Siehe zur Versinnücbung der nachfolgenden Beschreibung den
von mir mitgetheilten Grundplan des Schlosses, so wie die perspec-
tivische Ansicht auf Taf. 7.
Stockwerken (c d), die zu Wohnungen vornehmer Beamten
gedient haben. Im Hintergründe des Hofes, nach Osten
zu, steht das eigentliche Schloss (a), ein vierseitiges massives
Gebäude, mit einem runden Thurme an jeder Ecke *)
und einer Art von Warte, (a') welche die vordere Seite
des Ganzen überragt. Dieses mit einem flachen Steindach
versehene Gebäude besteht aus zwei Stockwerken, deren
jedes mehrere grosse Säle und Seitenzimmer enthält, und
von welchen der obere früher einen auf allen Seiten fortlaufenden
Balkon hatte. Die Fensteröffnungen der Gemächer
sind sehr gross und mit hölzernen Läden versehen.
In dem im obern Stockwerk befindlichen Hauptsaale ist
in der einen Ecke ein Alkoven, in welchem ein ungeheueres
Bettgestell mit einem Baldachin stehet. Dieses Möbel
ist von Holz und mit Schnitzw'erk verziert, und noch hängen
von den früheren roth-tuchenen Vorhängen einige
Fetzen daran. Es war das Ruhebette, auf welchem die
abyssinischen Kaiser bei Audienzen zu sitzen pflegten. Ihm
gegenüber ist in der Wand ein Kamin angebracht. Die
Wände und der Fussboden dieses Saals waren mit Stuck
überzogen, der aber durch den eindringenden Regen jetzt
ganz verdorben ist; die hölzernen Plafonds der Säle sind
mit zierlichem Schnitzwerk versehen. In dem vordem Saale
befinden sich noch zwei sehr grosse Holztische, an welchen
die täglichen Gäste der Kaiser speisten, und ein ungeheuerer
Humpen liegt an dem einen Fenster, aus welchem
ihnen Hydromel dargereicht wurde. Der Zugang zu
diesen fürstlichen Gemächern war übrigens nicht sehr glänzend
gewesen: ein kaum drei Fuss breiter, gemauerter
*) Aus Irrtbum sagt Bruce, Yol. 3. pag. 430, dass die Eckthürme
des Schlosses viereckig seyen.