
lassen und theilweise zerstört, und ich glaube die jetzige
Gesammtzahl der Häuser nicht über fünf hundert, sowie
die ganze Bevölkerung auf nur drei tausend und fünfhundert
Seelen höchstens anschlagen zu dürfen. Die Strassen
sind alle regellos, enge und sehr schmutzig. Die Häuser,
welche meistens sehr niedrig und von erbärmlicher Bauart
sind, bestehen aus einem Mauerwerk von rohen, durch
Erde verbundenen Steinen, und haben grossentheils flache
Dächer, die aus einer von Erde, Steinen und Ziegenmist
gebildeten Schichte bestehen, um das Eindringen des Regens
zu verhindern; wegen des Mangels an Bauholz macht
man die Unterlage dieser Dächer aus Euphorbien-Stängeln,
welche freilich ein sehr schlechtes Material sind. Da
hier nur wenige conische Strohdächer sich finden, so kann
man daraus folgern, dass in der Gegend von Adowa die
Regen weniger heftig und anhaltend sind, als in ändern
abyssinischen Provinzen. Kirchen gibt es ziemlich viele
in dieser Stadt; sie haben die gewöhnliche runde Form,
stehen aber in ihrer Ausschmückung denen von Gondar
sehr nach. Einige vereinzelte Nabak- und Wanzey-Bäume
sind hier und da in den Hofräumen der Stadt zu sehen;
von sorgsam bearbeiteten Gärten aber, deren Salt erwähnt,
ist jetzt keine Spur mehr vorhanden.
In Friedenszeiten soll auf dem hiesigen V^ochenmarkt
ein ziemlicher Umsatz der in Abyssinien gewöhnlichen
Handels-Artikel statt haben, wobei das in der Umgegend
gefertigte Baumwollenzeug an Zahlungsstatt gegeben wird.
Dieses besteht in sogenannten Gran’s oder Stücken von
acht egyptischen Ellen Länge und eine Elle Breite, deren
Werth fluctuirend ist; zur Zeit meiner Anwesenheit in'
Adowa bekam man dritthalb Gran’s für einen Thaler, zuweilen
aber werden auch vierthalb dafür gegeben. Dieses
Baumwollenzeug dient bloss zur Verfertigung von Beinkleidern,
welche in der Provinz Tigré durchaus von jedem
Manne getragen werden. Einkäufe von geringem Belang
berichtigt man mit Getreide, welches aber jetzt der Kriegsunruhen
wegen ungemein selten und theuer ist.
Ich fand meine Leute in ein, ihnen durch den Haupt-
Zollpächter, den Mahommetaner Bascha Sene, angewiesenes
Haus einquartirt, wo wir einigermassen gegen das
Stadt und Umgegend anfüllende Raubgesindel uns schützen
konnten. Die specielle Empfehlung Djeaz Ubi’s an jenen
Zollpächter war mir von dem wesentlichsten Nutzen; vermittelst
eines mässigen Geschenks blieb ich von allen Zollforderungen
verschont, welche sonst hier für die Reisenden
ganz besonders lästig seyn sollen.
Am 11. Juni kam unerwartet der junge Hannes Coffin
zu mir mit einem Briefe seines Vaters W. Coffin, den er
vor wenigen Tagen in Massaua verlassen hatte, wo sich
derselbe seit sieben Monaten befand, um die Waffensendung
weiter zu befördern, welche die brittische Regierung
ihm anvertraut hatte, und deren Absendung, wie es scheint,
durch Anerbietungen veranlasst wurde, die der verstorbene
Djeaz Sabagadis in Betreff der Abtretung des Hafens
von Amphila gemacht hatte *). Als Coffin nach sechsjähriger
Abwesenheit mit diesen Waffen nach Massaua
kam, hatten sich unterdessen die politischen Verhältnisse
in Abyssinien ganz geändert. Djeaz übi, welcher damals
wenigstens momentan Tigré unterworfen hielt, hatte Coffin
auffordern lassen, die englischen Waffen ihm zu übergeben;
dieser schien aber seinen Versprechungen nicht zu
trauen, und hatte daher vorgezogen, in Massaua ruhig
*) Siehe Band 1. Seite 340.