
Geht man in dem sich allmählig verengenden Thale
eine Viertel-Stunde nordöstlich weiter, so gelangt man zu
mehreren, rechts vom Wege in dem Hügelabhang befindlichen
Katakomben, welche meistens durch Dammerde zu^
geschüttet sind, und von denen jede durch eine zwanzig
Fuss vom Eingang entfernte niedere Mauer von Quadersteinen
umgeben wird. In einer derselben, welche vermuth-
lich durch irgend einen Schatzgräber aufgegraben worden
ist, führt eine vier Fuss breite und beiläufig fünf und einen
halben Fuss hohe Gallerie von Quadersteinen, welche drei
und zwanzig Fuss Länge hat und in einem Winkel von
zwanzig Grad abwärts geht, zu einem kleinen Zimmer von
zwei und zwanzig Fuss Breite und sechs Fuss Tiefe *).
Die dem Haupteingang gegenüber stehende Wand hat drei
Thüren, durch welche man zu eben so vielen Kammern
von je sechs Fuss in die Breite und neun bis zehn Fuss
in die Länge gelangt. In diesen Kammern, welche sechs
Fuss hoch sind und flache Decken haben, ist der Boden
überall aufgewühlt, um die vermeintlichen Schätze aufzufinden
; und auch in ihre Seitenwände hat man einzudringen
versucht. An keiner der Katakomben habe ich Spuren
von Bildhauerarbeit oder von Inschriften bemerkt.
Die Abyssinier nennen diese Gruppe von Gräbern Negus
Kaleb.
Ausser den beschriebenen grösseren Ueberresten des
Alterthums zeigte man mir nur noch einen aus Lava gefertigten
colossalen runden Napf, welcher entweder als Reibschale
oder als Opfergefäss gedient haben mochte. Derselbe
hatte oben drei Fuss im Durchmesser und war auf
den Seiten mit einer Art von Handhaben versehen; auf
*) Siehe Fig 2. des am Ende dieses Bandes befindlichen Holzschnitts.
dessen oberm Rande befindet sich folgende Inschrift in alt-
aethiopischen Lettern :
HniHMflahfhMIA'WfQnHA...
Der fünfzehnte und achtzehnte Buchstaben ist sehr undeutlich,
und die Endlettern fehlen ganz. Niemand in Axum
wusste mir diese wenigen Worte zu übersetzen *). Diese
übrigens sehr roh gearbeitete Opferschale war kurz vor
meiner Anwesenheit in den Schutthaufen der alten Stadt
aufgefunden worden und in einbm Privathause aufgestellt,
wo man sie zum Füttern der Esel gebrauchte.
Das Wichtigste in den Ruinen des alten Axum ist
zweifelsohne die griechische Inschrift des Königs Aizanas,
welcher Fürst, nach meiner Meinung, dem L a San der
abyssinischen Chronologie entspricht, und somit, wie ich
am Schlüsse dieser Reise darthun werde, gleichzeitig mit
dem oströmischen Kaiser Constantius von 343 — 356 n. Ch.
herrschte. Salt hat mit Zuziehung mehrerer ausgezeichneter
Gelehrten den Inhalt dieser Inschrift auf das Genügendste
ermittelt. Ich wünschte meinerseits eben so
glücklich in Betreff der drei oben erwähnten aethiopischen
Inschriften zu seyn, welche ich in Axum entdeckte. Es
war mir ein grosses Glück, dass ein dortiger Priester ein
Interesse an diesen Steinplatten nahm, und sie von den
Schutthaufen in seine Wohnung bringen liess, wo sie freilich
jetzt nur wenig geschützt im Hofraume liegen, aber
doch hoffentlich wenigstens gegen muthwillige Zerstörung
gesichert sind. Von diesen Inschriften ist die eine, mit
*) Nach einer brieflichen Mittheilung des Herrn Professor Rödiger
in Halle wäre diese Inschrift so zu übersetzen: Opfer, welche veranstaltete
Ahlal (ein Name) dem Messias in . . . .