
rend meiner Anwesenheit in Gondar verkaufte die Mutter
Getana Mariam’s eine Schang'alla - Sklavin an einen Ma-
hommetaner für zehn Thaler; Getana Mariam selbst trug’
mir eine seiner Galla-Sklavinnen zum Kauf an; Oezoro
Tackelit endlich, verkaufte meines Wissens einmal ein
ganzes Dutzend Mädchen, welche in Abyssinien frei geboren
waren, an mahommetanische Händler; sie hatte dieselben
von ihrem Sohne erhalten, der sie als Gefangene
von einem in die Provinz Matsha unternommenen Kriegszuge
heimgebracht hatte *). Die Hauptbeschäftigung der
* Sklavinnen zu Gondar besteht darin, dass sie das meist
aus ziemlicher Ferne herbeizutragende Brennholz und
Trinkwasser holen, und das Mehl reiben. Die Hausfrau
selbst besorgt die Zubereitung der Speisen, und verwendet
den übrigen Theil ihrer Zeit, wenn sie sich beschäftigen
will, zum Baumwollenspinnen. Im Allgemeinen benimmt
sich die Frau sehr aufmerksam, dienstwillig und selbst
demüthig unterwürfig gegen ihren Mann. Sie darf ihn
übrigens nur als ihren Herrn und im Plural anreden, während
der Gatte gegen sie das Du gebraucht; sie muss ihm,
wenn er es verlangt? die Füsse waschen, und ihm bei
Tische häufig die Speisen in den Mund stecken, wogegen
der Mann diese Höflichkeit nur zuweilen und ausnahmsweise
erwiedert. Jenes Betragen der abyssinischen Frauen
geht indessen nicht aus Liebe hervor, sondern gibt sich
bei näherer Beobachtung gar bald als eine berechnete,
heuchlerische Schmeichelei zu erkennen. Und wie könnte
diess auch anders seyn bei der in diesem Lande herrschenden
grossen Sittenverderbniss und dem gänzlichen Mangel
*) Ich verweise, bezüglich des Sklavenhandels, auf das vorstehend
Seite 26 Gesägte.
aller moralischen Antriebe und Principien! Denn gar einseitig
und in Folge mangelnder Menschenkenntniss irrig
ist leider das Urtheil mehrerer Missionaire über die Abys-
sinier, und ich bedaure namentlich aufrichtig, bei dieser Gelegenheiterklären
zu müssen, dass insbesondere Herr Gobat
in seinen Berichten über jenes Land und dessen Bewohner
häufig einander widersprechende Mittheilungen machte.
§. 6.
Reise nach der Brücke Deldei.
Während meines Aufenthalts in Gondar war es immer
eine meiner Lieblings-Ideen, eine Reise nach dem Kloster
Lalibela zu machen, welches in der Provinz Lasta, unfern
der Quellen des Takazzé-Stromes liegt, und wegen einiger
sehr grossen, in Felsen gehauenen Kirchen berühmt
ist, über die wir nur unvollständige, von Alvarez und Pearce
mitgetheilte Notizen besitzen *). Da die Kirche von Lalibela
ein besonders heiliger Wallfahrtsort ist, so hatte
Getana Mariam nebst mehreren seiner Freunde auf mein
*) Nach Alvarez Beschreibung muss besonders die Felsen-Kirche
von Abugana interessant seyn, weil in derselben sich in Stein ausgehauene
menschliche Figuren befinden, und dergleichen Kunstwerke,
meines Wissens, in Abyssinien sonst nirgends Vorkommen. Jener Schriftsteller
beschreibt dieselben folgendermassen: „SSor ber großen Sappelten
ift nodj ein begrebnuS aud) in benfetbcn gelf? geijaroen, barin bic Äirdjen
ftel)t,.» . 2Cuff ber (Sekten beS @rabs finb jroo SBilbnuS, aud; aus bemfeiben
gelS atfo iünjtlid) geformiret, als ob fte lebeten, bie ftefjen auferfjalb beS
©rabs empor, bie eine ift @. 3ot)anS, unb bie anber Meters." SBarljafftiger
3Serid)t oon ben Canben beS medjtigen .Königs in ©tljiopien burd; granciScum
2lloarej. golio. ©Sieben 1566. pag. 197.