
es nie gesehen hatte, weil dessen Eigenthiimerin mit gewaltiger
Eifersucht die Benutzung desselben Jedermann
vorenthielt. Da es überdiess kein anderes Werk «ibt in i t i « o 9 welchem die neuere abyssinische Geschichte verzeichnet
ist, so musste mir sehr viel daran gelegen seyn, in den
Besitz oder wenigstens zu einer Abschrift desselben zu gelangen.
Ich hatte desshalb, auf Anrathen Lik Atkum’s, zwei
vertraute Priester an jene Mertit Hailu abgeschickt, um
mit ihr wegen des Verkaufs dieses Manuscripts zu unterhandeln;
aber alle auch noch so vortheilhaft scheinenden
Anerbietungen wurden zurückgewiesen, und ich beschloss
daher, selbst nach Kiratza zu gehen, um mir daselbst auf
irgend eine Art entweder die Chronik oder eine Abschrift
derselben zu verschaffen. Auch dem Lik Atkum schien daran
gelegen zu seyn, dass ich dasselbe mit nach Europa nähme,
und so von dem Untergang rettete.
Um die Reise nach Kiratza und Deldei nicht ganz als
schutzloser Fremdling machen zu müssen, verschaffte mir
Getana Mariam die Gesellschaft eines ihm persönlich bekannten,
über letzteren Ort nach Hause zurückkehrenden
Kaufmannes von Gudjam, welcher gegen eine Vergütung
von fünf Species-Thalern es übernahm, mich und mein Gepäck
sicher bis zur Brücke Deldei zu bringen, und für
meine glückliche Weiterreise von da nach Debra Tabor
oder nach- Kiratza zu sorgen. Das Geld musste ich, wie
natürlich, vorausbezahlen, weil es der Kaufmann sogleich
zu Handelsspeculationen verwenden wollte. E r hatte Rinder
aus Gudjam nach Gondar gebracht, und mit deren Erlös
fünf Esels-Ladungen Waaren gekauft, mit denen er jetzt in
seine Heimath zurückkehren wollte. Ich nahm zwei Maul-
thiere mit, von welchen ich das eine selbst bestieg, und
das andere mit den astronomischen Instrumenten, Lebensmitteln
und einigen kleinen Geschenken belud; meine beiden
Negerbedienten begleiteten mich wohlbewaffnet zu Fuss. So
verliessen wir am 25. Februar gegen Mittag Gondar. In südsüdöstlicher
Richtung ziehend passirten wir bald das Flüsschen
Angerab, auf einer aus drei Bogen gesprengten Steinbrücke.
Niedere und wüst liegende vulkanische Hügel, welche
meines Erachtens sich zum Weinbaue sehr eignen müssten,
begrenzten die Seiten unsers Wegs. Nach einer Zeit von ein
und dreiviertel Stunden gelangten wir an das tief eingewühlte
Strombette d esM ag etsch , welches wir auf einer aus
fünf Bogen bestehenden Brücke überschritten. Mit diesem
Gewässer vereinigt sich etwas nordöstlich von hier jenes
Flüsschen, welches wir am letzten Tag der Reise von Simen
nach Gondar gleichfalls mittelst einer steinernen Brücke
passirt hatten, und das uns Magelb benannt worden war *).
Anderthalb Stunden südlich von hier verbindet sich der
später in den Zana-See mündende Magetsch mit dem Angerab.
Er bildet die Grenze zwischen den Provinzen Gondar
oder Dembea und F erk a. Beim weiteren, immer südlichen
Fortgang unserer ersten Tagesreise ward die Hügellandschaft
allmählig ebener. Wir zogen über eine steinige
mit sparsamem Gesträuch von Akazien bewachsene Fläche;
östlich von uns, in der Entfernung von zwei und einer
halben Stunde, verlief sich die Gebirgskette, welche die
Wasserscheide zwischen dem Zana-See und dem Takazze
bildet. Bald lag zu unserer Rechten die sehr heilig geachtete
Kirche A ito H an n es und das vier Stunden von Gondar
entfernte Dorf M e n su ro , bei welchem Wiesengrund
anfängt, und ein vorbei fliessender Bach zur künstlichen Bewässerung
mehrerer Ackerfelder benutzt wird. Von hier
*) Siehe Seite 77.