
von Gondar gelegenen Dorfe Asuso, weil der Krieg in der
Provinz Matsha ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort De-
raske, der vier Stunden West-Südwest von der Hauptstadt
entfernt ist, unsicher machte. Dieses Asuso ward vor
Zeiten ganz von den Nachkommen der portugiesischen
Hülfstruppen bewohnt, welche in der Mitte des sechszehnten
Jahrhunderts nach Abyssinien gekommen waren ; und
noch finden sich hier die Spuren ihres Daseyns in den
Trümmern einiger grossen Gebäulichkeiten in Stein von
regelmässiger Anlage, welche von jenen Portugiesen errichtet
wurden, sowie in den dortigen von ihnen herrührenden
Anpflanzungen von Limonen und Granatäpfeln» Das Obdach,
unter welchem ich Oeleda Tackelit, jetzo eine der
angesehensten und einflussreichsten Personen Abyssiniens,
fand, war eine geräumige konische Strohhütte, deren eine
Hälfte von Maulthieren besetzt war *). Die Dame sass
auf einem Ruhebette, umgeben von vielen Sklavinnen verschiedenen
Alters, die alle auf der Erde sassen und Baumwolle
theils reinigten, theils spannen. Auch Oeleda Tackelit
selbst, und eine neben ihr sitzende Gesellschafterin
waren damit beschäftigt ganz feine Fäden zu spinnen.
Viele Männer, namentlich Soldaten und Pfaffen, standen
umher, grossentheils in der Erwartung, an dem Mittags-
*) Um die Wohnung- der Oeleda Tackelit liefen über hundert Stück
sehr schöne Kapaunen herum; dieses Geflügel ist eine Lieblingsspeise
der Abyssinier, und ich bemerke dieses ausdrücklich, weil in der französischen
Uebersetzung von Salt’s Reise, Vol. 2. pag. 382, stehet: „Ia
remarque (que les Abyssiniens ne mangent pas les coqs) est loin d’être
exacte, ils ne les mangent pas lorsqu’ils ont été chaponnés.“ Aber dieses
ist eine unrichtige Uebersetzung, denn in dem Salt’schen Originaltext,
Appendix, pag. LXVI stehet: The Abyssinians will not eat them
(the male of common fowls) after tbey have once crowed, owing to
some singulär superstition, for whioh they could not account.
essen Theil nehmen zu dürfen. Dem Getana Mariam, seiner
Begleitung und mir wurden Strohbündel zum Sitzen
auf der Erde angewiesen. Die mit den gewöhnlichen Ce-
remonien übergebenen Geschenke schienen ungemein zu
gefallen; das Scharlachtuch wurde sogleich zu wiederholten
Malen gemessen; man. berathschlagte, zu was es am
zweckmässigsten verwendet werden könnte, weil es für
einen Damenmantel zu gross sey, und entschied sich zuletzt
dahin, es als Decke für das Lieblingsmaulthier der
Prinzessin zu gebrauchen. Diese fragte mich hierauf geradezu,
was ich mit meinem so ungewöhnlich kostbaren
Geschenke bezwecke, oder was ich dafür von ihr als Gegendienst
erwarte. Zugleich bot sie mir Maulthiere und
Sklaven als Gegengeschenk an. Nicht wenig war sie erstaunt,
als ich erklärte, ich bäte bloss um Schutz für meine
Jäger während ihres Aufenthalts in. der unter ihrer Verwaltung
stehenden Provinz Fangia; sonst habe ich nichts
nöthig, ja ich müsse mich sogar weigern, irgend ein Geschenk
anzunehmen , da diess ganz der Absicht meiner
Reise nach Abyssinien widerstreiten würde. Die Prinzessin
kam hierauf mit mir überein, dass ich ihr in einigen
Wochen meine Jäger zuschicken solle, und dass sie denselben
einen ihrer vertrauten Diener zugesellen werde, in
dessen Begleitung sie einige Zeit an den Ufern des Zana-
Sees, oder in ändern ihr untergeordneten Districten Jagd-
excursionen machen könnten. Nachdem wir hierauf mit
Hydromel reichlich bewirthet worden waren, ritten wir, zufrieden
mit dem Erfolge unsers Besuchs, nach Gondar zurück.
Oeleda Tackelit’s V ater, Djeaz Maru *), hatte sich
*) Maru ist eine Abbreviatur des Wortes Mariam Baria, d. h. der
Knecht der Maria.