Die Stid ig räb cii (an einer VersuchssteUe iu Eberswalde), iu welclien alle AVur-
zcln, durch die eine Mycclverbroituiig des l ’ilzes stattfinden k o n n te , vorsichtig
d urchstochen waren, wurden bereits naeh wenigen J ah ren zu förmlichen Eiit-
wicklimgsliccrdcn fü r den P ilz , dessen Eru ch tk ö rp e r in ungcmesseneii Mengen
in den Gräben selbst gesammelt werden konnten. Die Leistungskraft d e r forst-
liclien Sclmtzmassrcgel Hartig’s erwies sich, praktisch angowendct, als eine so
wirksame für die Ausbre itung des l ’ilzcs, dass selbst die AValdliütcr iin der
\'crsuclisstclle sich dieser Einsicht nicht verscliliessen konnten, u n d Dr. Kienitz
sie mit vollem lie ch te als »waldverdcrblich« bezeichnen durfte.
Natürlich war es damals n ic h t möglich, die A u fk lä ru n g fü r diese ¡ihäno-
menale Leistungskraft einer Schutzmassregel nach der v e rk eh rten Seite zu geben.
Diese war allein von einer geschlossenen Kenntniss der Entwicklungsgeschichte
zu erwarten, wie sie je tz t durch meine Culturversuche tha tsächlich aufgesclilosscii
ist. Durch sic erweisen sich n u n die Beobachtungen Hartig’s ü b e r die E n twicklungsgeschichte
des l ’ilzcs als lü ck en h afte und mangelhafte, seine Schlussfolgerungen
ü b e r die bevorzugte vegetative V erb reitu n g des Pilzes als einseitige,
u n d die hie raus abge leiteten forstliclien Schutzmassregeln zur Bekämpfung des
Pilzes geradezu als waldverderbliche, so wie es sich an der Versuchsstelle in
Eberswalde auch bereits p raktisch herausgestellt hat.
Schon die blosse U n tersuchung der E ru c h tk ö rp e r, die n ic h t an vereinzelten,
in zufälliger Jahreszeit gefundönen Bildungen au sgeführt, sondern ein
ganzes J a h r h indurch an unzähligen E x empla ren in allen Alte rs- und Grössenstadien
vorgenomraen w u rd e, ergab einen überschwänglichen lle ic h th um und
lange andauernde Eriich tb a rk e it an sporentragenden Basidien. Die Sporen, welche
in lo rm von förmlichen weissen Niederschlägen von den Hymenien d e r E ru c h tk
ö rp e r abgeworfen wurden, erwiesen sich in jed em Ealle als sofort keimfähig,
sie keimten ausnahmslos, auch nach langer Z e itd au e r, aus. Die Keim u n g erfolgte
u n te r kein en b eso n d eren , sondern u n te r ganz den g le ichen Umständen,
u n te r welchen die Sporen von einem beliebigen Schimmelpilze auskeimen, also
in Wasser u n d in jed e r der verschiedenen Nährlösungen, welche ü b e rh au p t nur
versucht wurden.
W a s ab e r die Un tersuchung der E ru ch tk ö rp e r allein schon mit überzeugender
K la rh e it ergeben, eine ganz enorme Erzeugungsfähigkeit an stets keimfähigen
Sporen, das wurde n u n erst d u rch die weiteren lle su lta tc der Cultur des
Pilzes zu einer Hoho geste igert, welche von k e in e r der verbreitetsten, bisher
unte rsnchteii Eormen der h ö h e ren Pilze auch n u r an n äh ern d erre ich t wird.
D u rch die überaus leichte Cultur der jederzeit auskeimenden Basidiensporen
wurde eine zweite u n d neue Eruchtform des Pilzes aufgedeckt in Basidien-
äh n lich en Conidienträgern, welche a u f den Mycelien gleich einem Schimmelpilze
auftreten. In förmlichen llascn, die selbst n ich t dem fru ch tb arsten aller Schimmel,
dem allverbrciteteii blau en Pénicillium ') an Sp o ren fru ch tb a rk eit nachstehen, werden
die Eru ch tträg e r von den Mycclicn geb ild et u n d zwar so n ach h altig , dass
es im l.au fe der lange Zeit fo rtge führten C u ltu ren n ich t einmal möglich wurde,
die ande re und höhere Eruchtform der grossen F ru ch tk ö rp e r zu erreiclien. In
je d e r Nährlösung, welche versucht, au f jedem Nährsubstratc, welches hergestellt
wurde, fructificirten die Mycelien nach k u rz e r Zeit in der wundervoll zierlichen
Schiramelform, selbst .die Sägespäne von den verschiedensten H o lza rten gaben
den ergiebigsten N äh rb o d en für sie ab. Dabei zeigte sich , dass die (Mycelien
selbst ,nur ein vom Substrate eng begrenztes Ausbrcitungsvermögen_ besitzen.
Keine Bildung von Strängen oder von vegetativen Au släu fern , die ü b e r das
Substrat hinausgehen, war an den Cu ltu ren au f Holzspäncn oder au f Brod oder
an d e ren Substraten zu finden, wie sic z. B. aus den Sporen und Mycelien des
Agaricus (Armillaria) melleus in den b ek an n ten llh izom o rp h en d u rch Cultur so
le ich t gezogen werden können®).
Die lle su lta tc der je tz t vorliegenden, neuen Un tersuchungen ü b e r die
Fructification des Pilzes stehen demnach in vollkommenem Gegensätze zu den
geringen Erg eb n issen , welche Hartig vordem d u rch seine Beobachtungen festgeste
llt h a t. Indem der Autor die eine d e r beiden Frueh tfo rm en vollständig
übersieht, die ande re n u r mangelhaft und ungenügend u nte rsucht, kommt er zu
der grundfalschen F o lg e ru n g , dass die V erbreitung des Pilzes im Allgcmcincii
weniger a u f S])orcnkeimung als a u f vegetativer Ansteckung von einem E n twick lungshee
rde aus b e ru h t, während ganz im Gegentheile der Pilz in der W irk lich
k e it gerade nach d e r fructificativen Seite, in der unbegrenzten Erzeugung von
stets k eimfähigen S])oren die reichste u n d glänzendste Ausrüstung u n te r allen
verwandten Formen besitzt.
’) B re fd d , Schimmelpilze II. Heft.
2 Brefeld, Schimmelpilze III. Heft, Basidiomyceten I.