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1 72 V. Entwicklung der Pilanzenwelt in den ausserhalb der Hochgebirge etc.
die Lemming- und Mammuthperiode derjenigen entspricht, in welcher die
Tundrapilanzen und die heutigen hochalpinen ihre Wanderungen vollzogen^
so ist die Periode der Ziesel, Arctomys und Sdrtetes diejenige , in welcher
Pflanzen ,wie Dracocephahim Ruysckiana ^ Senecio campester^ Scorzonera
purpurea in Europa sich ausbreiteten, eine Periode, die sich durch trocknere
und etwas längere Sommer vor der ersteren auszeichnen musste. Um
<liese Zeit mussten die zahlreichen dem Alpengelände eigenthümlichen
Pflanzen im Verein mit den neuen sibirischen Eindringlingen einen reichen
Blumenflor auf den »Haiden« am Nordrande der Alpen bilden, einen Blumenflor,
von dem verhältnissmässig nicht wenige Reste sich daselbst auch noch
bis in die Gegenwart erhalten haben. Je geringer später der Vortheil war,
welchen die alpinen und sibirischen Haidenbewohner in der Kürze ihrer
Vegetationsdauer gegenüber den eine längere Vegetationsdauer bedürfenden
Pflanzen besassen, desto mehr nahmen die letzteren überhand und
machten mehrere der alpinen Pflanzen zu grossen Seltenheiten. Wenn
auch mit der Isar und dem Lech oder durch die den Flussläufen folgenden
Vögel manche alpine Pflanze von neuem auf die Haide gelangte, so konnte
sie sich doch nicht mehr in der Weise ausbreiten, als dies früher der
Fall war.
Während am Fuss der Alpen sich noch so zahlreiche Spuren der Glacialperiode
finden und auch in den niederen Gebirgen Deutschlands hier und
da solche einhalten sind, sind dieselben nur noch sehr gering in der Ebene,
weil hier die nun wieder rasch sich entwickelnde Wald- und Wiesenbildung
vielfach den Glacialpflanzen ihre Existenzbedingungen raubte.
Hier und da konnte sich wohl noch eine oder die andere Glacialpflanze,
welche von den Alpen nach Britannien oder Skandinavien oder nur nach
Mitteldeutschland gelangt war, erhalten, so Gentiana acaidisL. bei Freiburg
a. d. Unstrut, Erica carneaL. bei Paderborn (jetzt dort verschwunden),
Gentiana verna L. bei Glessen, Homburg, Schweinfurt und Französisch-
Buchholz bei Berlin, Aspidium Lonchitis Sw. bei Prenzlau, Biscutella laevi-
(jata L. bei Kottwitz bei Breslau, Hieraciiim aiirantiacum L. bei Kiel, Poa
stideticaEsLenke an mehreren Stellen der Ostseeländer, Carex incurvaLi^hif.
auf der Insel Roem, Biipleurum loncjifoliumL. in Preussen. Mehrfach in der
deutschen Ebene zerstreute Glacialpflanzen sind noch folgende : Pulsatilla
pateiisMill,^ P. vernalis Mill.^ Stellaria Frieseana Ser., Linnaea borealis L.,
Archaiigelica officinalis Hoffm., Crepis succisaefolia Tausch, Polemoniimi
coeriileimi L., Dracocephahim Ruyschiana L., Sconzonera purpurea L.,
Chrysospleniimi oppositlfoliwnL. (in Holstein), Primula acaW/^ Jacq. (Cöln,
Ostfriesland, Holstein), Sa/Zcc ¿mda Wahlnbg., Veratrum cdbumL, (in Oberschlesien),
Prinnda farinosaL.^ Carex oriiithopoda W. ^ Hiè'rochloè'borealis
R. et S.j Ajuga pyra7nidalis L.
Ausser den gewöhnlichen Torfpflanzen finden sich hier und da noch in
13. Lokale Erhaltung der Glacialpflanzen. 173
den Mooren Mittel- und Norddeutschlands folgende Arten: Rubus Chamaemorus
L., Sedim villosum L., Saxífraga Hirculus L., Swertia perennis L.,
Arnica montana L. , Cornus suecica L. (gelangte nie weiter südlich als bis
Norddeutschland) , Pedicularis Sceptrum Carolinum L., Empetrum nigrum
L. , Salix myrtilloides L. (Oppeln in Schlesien und Preussen), Betula nana
L., B. humilis Schrenk, Scheuchzeria palustris L. , Scirpus caespitosus L.,
Juncus ßiformis L., Eriophoricm alpinum L.. Carex chordorhiza Ehrh.,
C. pauciflora Lightf., C. irrigiia Smith, C. Heieonastes Ehrh., C. microstachya
Ehrh., Herminium monorchis L., Listera cordata R. Br., Malaxis paludosa
Microstylis monophyllos \.má\. Einige der genannten Arten sind
zwar nicht rein arktisch und gehen nicht weiter nördlich als bis Lappland,
aber sie fanden jedenfalls während und unmittelbar nach der Glacialperiode
die günstigsten Verhältnisse für ihre Verbreitung und sind sie
daher auch als Glacialpflanzen zu bezeichnen. Sowohl bei diesen als den
vorher aufgezählten Arten kann man aus ihren Standorten leicht eine Zunahme
der Verbreitung in nordöstlicher Richtung wahrnehmen. Es ist in
der That nicht schwer, sich vorzustellen, dass theils während der Glacialperiode,
theils am Ende derselben (das ja überhaupt nicht genau festgestellt
werden kann) diese Pflanzen von Sibirien bis Deutschland verbreitet
waren, sow^eit das Land nicht vom Meer bedeckt war, und dass im nordöstlichen
Deutschland, überhaupt in den nördlichen Ostseeländern das von)
Meer oder vom Eis entblösste Land von der zunächst befindlichen Glacialflora
besiedelt wurde, die dann an den Küsten der Ostsee ebenso klimalisch
als gegen viele Concurrenten geschützt war, da solche nur aus dem Süden
und Osten kamen. Damit steht denn auch im Zusammenhang, dass in Livland
und Esthland der Reichthum an Glacialpflanzen ein noch ungleich
grösserer ist. Es finden sich daselbst noch folgende: Cerastium alpinum'L.y
Potentillaalpestris')Ad\\. i, ^ Rubus arcticush.^ Saxífragaadscendensh,^ Saussurea
alpina L., Cassandra calyculata Don (gelangte nie weiter südlich als
bis Ragnit in Preussen), Salix Lapponum L. ^ Carex sparsißora Sieud., C.
capillaris L. In den benachbarten Gebieten sind aber noch einige andere
Glacialpflanzen vorhanden, so auf Hogland: Visearía alpina^ in Livland und
Kurland: Delphinium elatum L., Pedicularis comosa L., in Livland: Calypso
borealis L. (nie nach dem Süden gelangt), in Finland: Gymnadenia odoratissima
Rieh. u. a. Aus diesen Thatsachen ergibt sich auch die Wahrscheinlichkeit,
dass ein Theil der aus den Alpen nach Skandinavien gelangten
Pflanzen in dieser Richtung gew^andert ist. Schliesslich sei noch darauf
aufmerksam gemacht, dass einzelne der oben angeführten Fälle der Erhaltung
von Glacialpflanzen im nördlichen Deutschland zeigen, dass einzelne
Pflanzen sich nur im nördlichen Europa ausbreiteten; entweder waren
'l) F. S c hmi d t : Flora des silurischen Bodens von Esthland, Nord-Liyland und Oesel.
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