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164 V. Entwicklung der PflanzenweU in den ausserhalb der Hochgebirge etc.
Savoier Alpen i), auf den Schwarzwald und die Vogesen gewöhnliche Pflanzen^
der Schweizer Alpen, auf den Bairischen und Böhmer Wald 2) solche
der bairischen und österreichischen Alpen, auf den Harz und das Biesengebirge
ebenfalls Pflanzen der nördlichen Voralpen, auf das mährische Gesenke
auch solche der östlichen Alpen und Karpathen. Die specielle Untersuchung
der Floren dieser engeren Gebiete lässt diese Beziehungen zu den
einzelnen Theilen der Alpen wohl erkennen. Eine Frage, die in Zukunft
noch zu entscheiden sein wird, ist die, ob wir annehmen dürfen, dass schon
während der Glacialperiode die alpine und Glacialflora auf die Gipfel dieser
Gebirge gelangt w^ar und sich also vom Fuss der Gebirge bis in deren obere
Begionen erstreckte, wie dies gegenwärtig noch im nördlichen Ural der Fall
ist, oder aber, ob die oberen Begionen von Schnee und Eis bedeckt waren
und selbst die alpin-glaciale Flora nur in den unteren Begionen existiren
konnte. Dass in den Vogesen Gletscher cxistirten, wissen wir; aber daraus
und aus dem Umstände, dass zur Zeit der mächtigsten Entwicklung der
alpinen Gletscher dieselben bis wenige Meilen oberhalb München reichten,
folgt doch noch nicht, dass auch im Bairischen Wald, in den Sudeten und
im Harz das ganze Gebirge von einem Eismantel eingehüllt war, zumal
gegenwärtig im östlichen Grönland unter 70^ n. Br. während des kurzen
Sommers weite Basenflächen bis 330 m, arktisch - alpine Phanerogamen
noch bedeutend höher und üppig vegetirende Moose sogar oberhalb 2000 m
angetroffen werden. Andrerseits fehlte aber ein wichtiger Factor, der jetzt
die arktische Flora noch immer sehr begünstigt, während der Glacialpßriode
in Mitteleuropa, nehmlich die langen Tage des Sommers. Mag nun die während
der Glacialzeit in Mitteleuropa ausgebreitete Glacialflora blos auf die
niederen Begionen beschränkt gewesen sein oder hier und da höher hinauf
gereicht haben, so erfolgte jedenfalls bei dem Eintreten der wärmeren
Periode eine bedeutende Einschränkung ihres Areals durch die Waldvegetation;
wo aber weder diese noch üppiger Graswuchs Platz greifen konnte,
konnten sich Colonien von Glacialpflanzen erhalten und das w^ar ganz besonders
an steileren, felsigen, dem Baumwuchs ungünstigen Abhängen und
an den Stellen der Fall, wo Wasser nicht durchlassender Boden die Bildung
von Mooren begünstigte. Da auf ihnen ein grosser Theil der übrigen mitbewerbenden
Pflanzen ausgeschlossen war, konnten sich in ihnen sehr viele
Feuchtigkeit liebende Glacialpflanzen erhalten, so lange nicht Menschenhand
in die ursprünglichen Verhältnisse störend eingriff. Aus diesem Grunde
finden wir denn auch einerseits auf den vorher erwähnten Gebirgen die
Vergi. Chr ist : Ueber die Pflanzendecke des Juragebirges. BaseH 868.
2) Vergl. auch Goeppe r t , Skizzen zur Kenntniss der Urwälder Schlesiens und
Böhmens, p. 40—42.
3) Vergl. Bericht über die zweite deutsche Nordpolfahrt, Botanik IL p. 5.
16. Lokale Erhaltung der Glacialpflanzen. 165
grösste Anzahl von Glacialpflanzen auf Mooren und andrerseits zeigen w^enige
Formationen in entfernten Gebieten eine solche Gleichförmigkeit ihrer Elemente
wie gerade die Moore, wenn auch immerhin manche durch einzelne
Raritäten sich auszeichnen, welche den Nachstellungen des Menschen
noch nicht vollständig erlegen sind. Wie reich die Moore im Jura, auf den
Sudeten und auch am Harz an Glacialpflanzen sind, will ich nicht erst näher
aasführen; dagegen will ich noch auf einige andere Fälle von Erhaltung
von Glacialpflanzen in niederen Regionen und niedern Gebirgen aufmerksam
machen. Wenn wir im Thal der Isar zwischen München und Grosshesselohe
an den aus losem, geschichtetem Kies bestehenden Wänden (Leithen) des
praeglacialen Diluviums Gymnadenia odoratissima. Saxifraga mutata^ Bellidiastrum
Micheln^ Hieraciiim staticifoUum^ Kernera saxatilis und einige
andere Pflanzen der subalpinen Region finden^ so wi rd es uns schwer fallen,
zu entscheiden, ob diese Pflanzen erst in jüngerer Zeit aus dem obern Theile
des Isarthaies dahin gelangt oder die Reste einer während der Glacialperiode
daselbst noch reicher entwickelten subalpinen Vegetation sind. Für
die erste Erklärung spricht der Umstand, dass die Isar alljährlich auf ihren
Kiesbänken Samen absetzt, die sich entwickeln und ein oder ein paar Jahre
lang existirende Nachkommen erzeugen. Wird die Kiesbank wieder vom
W^asser überspült, dann verschwinden die Pflanzen wieder; wohl gelangen
auch von manchen Samen an die steilen Ufer, wo gegen Wegschwemmung
durch W^asser geschützt nun auch dauernde Nachkommenschaft sich
entwickeln kann. Andrerseits haben wir aber im Isarthal selbst die deutlichsten
Spuren des Isargletschers zwei Stunden oberhalb Grosshesselohe;
es ist also gar kein Zweifel, dass früher an diesen Thalwänden noch viel
mehr subalpine und auch alpine Pflanzen vegetirten, die dann später durch
die reicher entwickelte Waldflora verdrängt wurden. Trotzdem also auch
jetzt noch mit der Isar immer wieder von subalpinen und einzelnen alpinen
Pflanzen Samen herabgeschwemnit werden, ist es doch wahrscheinlich, dass
ein Theil schon seit der Glacialperiode daselbst sich erhalten hat. Viel entschiedener
spricht sich K e r n e r d a f ü r aus, dass die alpine Flora am
Rande der Seebecken der nördlichen Kalkzone sich seit der Glacialperiode
daselbst erhalten habe. Er sagt: j)Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass
die Erscheinung des Aussterbens und somit das Zurückziehen der alpinen
Pflanzenwelt gegen die nebelfeuchte höhere Alpenregion mit der Abnahme
der Feuchtigkeit in Verbindung steht, die in historischer Zeit herbeigeführt
worden ist. Es führt aber eben diese Annahme auch noch zu einer zweiten,
die für die Geschichte der Vegetation unsi^er Alpen von grosser Redeutung
ist, das nehmlich in früheren Zeiträumen, wo die weiten Flachländer im
Osten und Norden der Alpen mit Süsswasserseen bedeckt waren und dem-
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1 »
•t) K e r n e r , Pflanzealeben der Donauländer, p. 248.
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