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vin Vorworl.
wickhingsg-eschichte der Pflanzenwelt in den extratropisclien Florengebieten
der nördlichen Hemisphäre zu behandeln; der zweite Band
wird die extratropischen Gebiete der südlichen Hemisphäre und die
tropischen Florengebiete besprechen. In dem vorliegenden Bande
war es nicht nöthig, weiter als zur miocenen Periode zurückzugehen;
ich hätte zu viel nur den Arbeiten HEEK'S, V. ETTINGHAUSEN'S und
SAPORTA'S entnehmen müssen, wenn ich auch bis zum Eocen oder zur
Kreide hätte zurückgehen wollen. Um den Leser gleich in die leitenden
Ideen einzuführen, lasse ich der eigentlichen Darstellung diejenigen
Sätze vorausgehen, welche theils von den oben genannten Forschern
schon ausgesprochen wurden, theils erst in vorliegendem Werke
ihre Erledigung und Begründung finden. Der Stoff, welcher in den
Rahmen dieses Buches fällt, ist ein so umfangreicher, dass eine
gleichmässig erschöpfende Behandlung desselben zu vielfachen Wiederholungen
der Arbeiten anderer Autoren führen würde. Um dies
zu vermeiden, sind die schon allgemein bekannten Thatsachen nur
kurz berührt; von Schilderungen der Florengebiete habe ich mich
ganz fern gehalten.
K i e l , den 30. Juli 1879.
A. Engler.
Leitende Ideen.
Die gegenwärtige Verbreitung der Pflanzen ist nicht blos bedingt
durch die jetzt auf der Erde herrschenden klimatischen Bedingungen und
die Bodenverhältnisse.
2 Ein wahres Yerständniss der Verbreitung der Pflanzen ist nur dann
möglich wenn man die allmähge Entwicklung derselben zu ermitteln sucht.
3 Hierzu ist vor Allem nothwendig die Berücksichtigung der verwandtschaftlichen
Verhältnisse, in welchen die Formen eines Gebietes oder
mehrerer Gebiete zu einander stehen,. Die blosse Pflanzenstatistik lasst
einen Einblick in die Entwicklungsgeschichte nicht gewinnen.
4 Ferner ist es nothwendig, die Verbreitungsverhältnisse zu berücksichtigen
, welche in den früheren geologischen Perioden herrschten und
die verwandtschafthchen Verhältnisse der ausgestorbenen Formen mit den
-egenwärtig noch existirenden in Betracht zu ziehen.
5 Der Wechsel in der Vertheilung von Wasser und Land, welcher
namentlich seit der Tertiärperiode stattgefunden hat, ist für die Entwicklungsgeschichte
der Florengebiete von grosser Bedeutung.
6 Namentlich ist es von Wichtigkeit, wenn durch Ruckgang des
Wassers oder von Gletschern oder auch durch Hebung eines Landes neues
Terrain erötTnet wird, auf dem sich die Formen der benachbarten Gebiete
ansiedeln können und ihre neugebildeten Varietäten Platz zur Entwicklung
vorfinden. . .
7. Die Beobachtung lehrt, dass nahe verwandte Formen einer Arteneruppe
collocal entstehen.
8. Allmälig verbreiten sich die Formen eines Formenkreises, soweit
Bodenverhältnisse, klimatische Verhältnisse und Concurrenz anderer Pflanzen
es gestatten.
9. So können nahe verwandte Formen auch an entferntere Theile eines
grossen Gebietes gelangen und sich nun selbständig weiter entwickeln.
10 So lange noch in dem grösseren umfassenden Gebiet der alle Zusammenhang
des Terrains fortbesteht, ist auch die Zusammengehörigkeit
der Formen mehr oder weniger leicht zu erkennen.
M Wenn aber geologische Ereignisse eine Isolirung der früher zusammenhängenden
Theile bewirken, dann ist die selbständige Entwicklung
der verwandten Formen mehr begünstigt.
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