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X Leitende Ideen.
12. So entstehen correspondironde oder vicariirende Varietäten, Arten
Gruj)pen, Gattungen, Galtungsgruppen.
13. Wenn auch annehmbar ist, dass ehie Art an zwei gleichartigen,
aber getrennten Orten eines Gebietes gleichartige oder nur wenig verschiedene
Varietäten erzeugt, so ist es doch nicht denkbar, dass nun an
beiden Orten fortdauernd dieselben Verhältnisse und Ursachen auf dieselbe
Varietät einwirken und im Lauf der Zeit an beiden Orlen die Nachkommenschaft
der zuerst entstandenen Varietäten sich in durchaus gleicher
Weise entwickelt.
14. Scharf abgegrenzte, an getrennten Gebieten vollkommen identische
Arten können demzufolge nicht die Summe ihrer Eigenschaften gleichzeitig
an zwei oder mehr getrennten Gebieten gewonnen haben.
15. Die geologischen Ereignisse haben sehr oft eine Isolirung früher
zusammengehöriger Gebiete und der dieselben bewohnenden Pflanzen bewirkt.
Mit Versenkung eines Theiles des Gebietes unter Wasser oder in
anderer Weise wurde sehr oft ein Theil der Formen, welche als Bindeglieder
zwischen den verschiedenen Formen der mehr entfernten Theile
die Zusammengehörigkeit zu einem Verwandtschaftskreis erkennen liessen,
vernichtet. '
16. Darauf beruht das Vorkommen verwandter Arten oder Gruppen
an getrennten Gebieten, ohne dass noch andere verwandte Formen in dem
dazwischen liegenden, in anderer Weise veränderten Gebiet gefunden werden.
17. Demzufolge hat namenthch die Verwandlung von Seebecken,
deren Ufer ehemals bewaldet waren, in trockene Steppen oder Wüsten
das Verschwinden vieler Formen zur Folge gehabt, welche früher jetzt
getrennte Standorte und getrennte Formen verbanden.
18. Wenn in getrennten Gebirgssystemen ursprünghch nahe verwandte
Formen Hochgebirgsvarietäten bilden, welche den in höheren Regionen
herrschenden VerhäUnissen sich allmälig anpassen, so sind diese
später zu Arten gewordenen Varietäten im Stande, bei eintretender Erniedrigung
der Temperatur sich zu erhalten, während die in den wärmeren
Regionen der Ebene verbliebenen Formen nun nach wärmeren Landstrichen
wandern oder untergehen müssen.
19. Aus 17 und 18 geht hervor, dass in Ländern von hohem Alter
namentlich in gebirgigen Gegenden , deren Vegetation seit langem nicht durch
geologische Ereignisse vollständig vernichtet wurde, ein reicher Endemismus
herrschen muss.
20. Endemische Formen können aber auch in verhältnissrnässig jungen
Gebieten reichlich auftreten, wenn nämlich diese Gebiete, wie die asiatischen
Steppen, die amerikanischen Prärien oder die südamerikanischen Pampas,
durch ihre Beschaöenheit nur einer beschränkten Zahl von Vegetationsformen
die nöthigen Existenzbedingungen gewähren.
21. Der Unterschied zwischen alten und neuen Florengebieten mit
reichem Endemismus besteht gewöhnlich darin, dass in den^Iteren Ge-
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bieten die Artenzahl der Gattuagen eine geringere, in den neueren die
Ärtenzalii einzelner Gallungen gewöhnlich eine sehr grosse ist.
Bei einigen Familien iinden wir, dass ihre natürlichen Gruppen
sich auf einzelne geographische Gebiete beschränken; dies hängt bisweilen
damit zusammen, dass einzelne dieser Gruppen physiologische Eigenlhümlichkeiten
besitzen, welchc in einem klimatisch scharf charakterisirlen
Gebiete von besonderem Vortheil sind. Es hat aber das auch häufig darin
seinen Grund, dass von einem Entwicklungscentrum nach verschiedenen
Richtungen hin verschiedene Formen gelangten, die nun in den getrennten
Gebieten Ausgangspunkte natürlicher Gruppen wurden. Es findet also im
Grossen dasselbe statt, was wir bei kleineren Formenkreisen auch wahrnehmen.
23- In grossen Gebieten, welche im Lauf der geologischen Epochen
nur wenig Veränderungen unterworfen waren, konnten sich solche Gattungsgruppen
wohl erhalten; wir iinden daher diese Erscheinung nur in den
tropischen und subtropischen Gebieten, während wir in den seit der
Tertiärperiode mehrfach veränderten Gebieten ähnliche Erscheinungen innerhalb
einer Gattung häufiger wahrnehmen.
2 4. Dass auch im tropischen Gebiet nur wenige F'amilien eine Beschränkung
ihrer Gruppen auf bestimmte geographische Gebiete zeigen, hat
einerseits in dem verschiedenen Alter der einzelnen Famihen, andererseits
in der verschiedenen Dauer der Keimfähigkeit der Samen seinen Grund.
Samen mit langandauernder Keimfähigkeit sind für lange Wanderungen mehr
befähigt, als solche, welche bald keimen müssen, um zur Entwicklung zu
gelangen.
2!5. Die grosse Mehrzahl der tropischen Pflanzenfamilien, also der
Familien, von welchen ein hohes Alter vorausgesetzt werden darf oder
nachgewiesen ist, zeigt eine sehr unregelmässige Vertheilung, oft nahe verwandte
Gattungen auf der östlichen und westlichen Hemisphäre.
26. Die Untersuchung der Verbreitungsverhältnisse der fossilen Pflanzen
zeigt uns, dass viele Gattungen, welche jetzt auf eine Art oder ein enges.
Gebiet beschränkt sind, noch in der jüngeren Tertiärperiode mehr Arten
oder ein grösseres Verbreitungsgebiet besassen.
27. Daraus ergiebt sich, dass wir die Heimat einer Pflanze oder einer
Pflanzengruppe nicht immer da zu suchen haben, wo dieselbe jetzt existirt
oder am reichsten entwickelt ist.
2 8. Ferner ist daraus ersichtlich, dass artenarme oder monotypische
Gattungen in den meisten Fällen Reste von früher viel reicher entwickelten
Typen sind.
2 9. Die Erhaltung von monotypischen Gattungen in einem Gebiet ist
meist etwas Zufälliges und für das Gebiet nur insofern von Bedeutung,
als sie zeigt, dass in demselben frühere Verhältnisse längere Zeit fortgedauert
haben; die monotypischen Gattungen eignen sich daher nur zur