
r 1
ml.
l l i ' i .
v:"'.; ij:'
iilP;!^^ \
• fii
i
m
144 IV. Entvvickluag der Hochgebirgsfloren vor, Avährend 11. nach der Glacialperiode.
Es hat Chr ist^) vollkommen Recht ^ wemi erHooker's^) Ansicht^
ditss Skandinavien das Heimathsland der arktisch-alpinen Flora sei,
zurückweist: nicht blos die arktisch-alpinen Pflanzen, sondern auch die
rein arktischen Pflanzen stammen aus verschiedenen Theilen des circumpolaren
Gebietes. Ein Theil der arktischen Pflanzen hat wohl seinen Weg
über Skandinavien nach dem Westen genommen, wie wir oben gezeigt
haben; ein anderer Theil der arktischen Pflanzen ist aber auch nie nach
Skandinavien gelangt, da im arktischen Amerika westlich der Baffinsbay
105 in Skandinavien fehlende Pflanzen, meist auch in der temperirten
Zone vorkommend, gefunden werden; diese stammen eben aus dem nordöstlichen
Asien und Nordamerika, die fortdauernd untereinander im Austausch
standen. Grisebach^) hat gewiss Recht, wenn er als wichtigstes
Yerbreitungsmittel der arktischen Pflanzen die Eisblöcke führenden
Meeresströnmngen ansieht und die Keime oder Pflanzen einerseits aus dem
arktischen Russland, das ja mit Skandinavien im Austausch steht^ um
Spitzbergen herum nach Island und Grönland führen lässt, andrerseits in
den die Baffinsbay durchziehenden Eisströmen das Ilinderniss für die Wanderung
der amerikanischen arktischen Typen nach Grönland sieht. In der
Glacialperiode gingen aber diese Ströme jedenfalls weiter südlich, sie
mussten wenigstens das nördliche Skandinavien, die Shetlandsinseln,
Schottland, die Faröer-Inseln, auch die Südküste von Island und Labrador
berühren, es konnten also damals auch den genannten Gebieten Glacialpflanzen
zugeführt werden, welche gegenwärtig dahin nur durch den
w^eniger günstigen Transport der Vögel gelangen könnten. Wenn der
Transport durch Thiere wirklich von grosser Bedeutung wäre, dann könnte
die Flora der beiden Küsten der Baffinsbay, welche doch wahrscheinlich von
denselben Vogelarten besucht werden , nicht so verschieden sein. Ein
grosser Theil der gegenwärtig im arktischen Gebiet verbreiteten Pflanzen
besitzt seine nächsten Verwandten in den Rocky Mountains, ein anderer
Theil in den sibirischen Gebirgen; aber wir dürfen doch nicht vergessen,
dass Grönland und Spitzbergen, jedenfalls auch Skandinavien in der miocenen
Periode eine Flora ernährten, die etwa den Charakter der Flora des
südlichen Amurlandes oder des östlichen Nordamerika besass; unter solchen
Verhältnissen konnte aber weder die Flora der Gebirge mit der der
untern Regionen identisch sein, noch das Gebirge, ganz von Eis bedeckt,
des Pflanzenschmuckes entbehren. Es mussten also auch schon im Norden,
im ehemaligen arktischen Gebiet, das eines wärmeren Klimas sich erfreute
als jetzt, unterhalb der Schneegrenze Varietäten und Arten gebildet wer-
1) C h r i s t j Verbrei tung der Pflanzen der alpinen Region etc. p. 13.
9) H o o k e r , Outlines of the distribution of arctic plants p. 251.
3) G r i s e b a c h , Vegetation der Erde p. 62.
U . Besprechung der wichtigsten Wanderungen während der Glacialperiode. I45
den, die ihre Vegetationsdauer auf das Aeusserste redacirten, ein Theil
dieser Pflanzen musste bei dem Vordringen der Gletscher in die untern
Regionen auch in dieselben und schliesslich weiter südlich gelangen, zum
Theil auch in die Alpen. Sehr viele dieser Pflanzen werden auch zu Grunde
gegangen sein, manche jedoch erhielten sich auch in dem arktischen Gebiet
selbst. Als solche uralte Glacialpflanzen glaube ich z. B. Salix reticulata
L., S. polaris L., S. herhacea L. u. a. ^ Gassiope tetragona Don , C.
lycopodioides Don, C. hypnoides Don^ Diapensia lapponica L., viele Cyperaceae
und manche anderen Pflanzen ansehen zu müssen, von denen nähere
Verwandte in den untern Regionen der von uns betrachteten Gebirge sich
nicht finden. Da eine grosse Anzahl von Pflanzen jetzt noch an besonders
günstigen Stellen in Spitzbergen und in Grönland noch oberhalb 75° n. Br.
gefunden werden, so ist es immerhin möglich, dass selbst in Skandinavien,
Island, Grönland und Nordamerika mehrere der alten Glacialpflanzen die
Glacialperiode durchgemacht haben und dass einzelne dann wieder weiter
nördlich zurückgegangen sind. So glaube ich erklären zu müssen, dass
sich im arktischen Gebiet endemische Formen erhalten haben, welche wie
Dupontia Fischeri R. Br. , Pleuropogon SabiniR. Br. weder selbst südlich
in Hochgebirgen vorkommen, noch daselbst verwandte Formen besitzen.
Wenn nun aber einzelne dieser Formen und selbst monotypische
Gattungen auf einzelne Theile des arktischen Gebietes beschränkt sind, so
sind darum doch noch nicht diese einzelnen Theile als Vegetationscentren
anzusehen, die Erhaltung solcher alten Formen ist etwas Zufälliges, was in
localen Ursachen seinen Grund hat, nur die Erhaltung von Pflanzengemeinschaften
ist von weitergehender Bedeutung. Sicher sind die gebirgigen
Länder des arktischen Gebietes einmal Entwicklungscentren gewesen,
so wie jetzt die Gebirge der gemässigten Zone, aber in Folge der
mächtigen Ausdehnung der Vergletscherung wurden die bestehenden
Unterschiede ja vollständig vernichtet und in Folge der Gleichförmigkeit
der klimatischen Bedingungen, welche später im arktischen Gebiet bestand,
in Folge der Thätigkeit der Eisströme bei der Verbreitung der
Pflanzen wurde der Austausch der erhaltenen Formen viel zu sehr gefördert,
als dass es möglich wäre, noch die ursprünglichen Entwicklungscentren
zu erkennen. Wohl aber besteht die Möglichkeit, dass sich neue
Entwicklungscentren auch im arktischen Gebiet bilden. Die Entwicklung
neuer Formen, welche allerdings den alten jetzt noch sehr nahe stehen, ist
daselbst ebensowenig abgeschlossen wie in den Alpen. Besonders lehrreich
sind in dieser Beziehung die Beobachtungen Lun d s t r öm' s i) über die
Polarweiden Nowaja Semljas, welche derselbe an Ort und Stelle mit besoni)
Axel N. L u n d s t r öm, üeber die Weiden Nowaja Semljas. Nova Acta Reg.
Soc. Scient. Upsal. 1 877.
Engler, Entwicklungsgescli. d. Pflanzenw. I.
f
k
fr