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7 4 III. Hauptzüge der Entwicklung der Mediterranflora seit der Tertiärperiode.
Gattung Boiolesia ist auf den Anden und in Mexiko mit 1 1 Arten entwickelt;
mit einer Art Perus, B. lobcita R. et P. sind einigermassen verwandt die
canarische B, opposüifoUa (DG.) und eine neuerdings in Marokko gefundene
Art.
Da es sich bei all den erwähnten Beziehungen der Canaren zu andern
Florengebieten nicht um identische Formen handelt, das Vorkommen von
verschiedenen Arten eines Typus an getrennten Gebieten aber immer dadurch
zu erklären ist, dass derselbe an den Zwischenstationen erloschen
ist, so kann von einer zufälligen Verschleppung der erwähnten tropischen
oder nordamerikanischen Typen nach Makaronesien nicht die Rede sein,
wenn auch andere tropische Pflanzen, wie Argemone mexicana und Alternanthera
achyrantha durch den Schiffsverkehr nach den Canaren gelangt
sind. Wir werden uns aber auch nicht damit begnügen können, in Makaronesien
einfach ein eigenes Schöpfungscentrum zu sehen, das einerseits
mediterrane , andrerseits indische , afrikanische und amerikanische Typen
hervorgebracht habe, vielmehr werden wir, nachdem wir nun schon mehrfach
die Fortexistenz tertiärer Typen in der Gegenwart erkannt haben, der
Ansicht H e e r ' s und Hooke r ' s^ ) beipflichten, welche darauf aufmerksam
machten, dass zwischen einzelnen endemischen Typen Makaronesiens und
gewissen Ueberresten der europäischen Tertiärflora eine nahe Verwandtschaft
bestehe. Es erinnert Laurus princeps Heer an L. canariensis Webb,
Dracaena aiistralis an D. Draco L. Auch wenn wir nicht annehmen, dass
die jetzt in Makaronesien existirenden Arten nur die wenig veränderten
Formen derjenigen Arten sind, die zur Tertiärzeit in Europa existirten,
haben wir doch andere Gründe genug, die dafür sprechen, dass die endemische
Flora Makaronesiens grösstentheils aus der Tertiärzeit stamme und
dass die insulare Lage zu dieser Erhaltung beigetragen habe. Grisebach
greift manchmal, wenn es ihm gilt, aus der Geologie hergenommene
pflanzengeographische Erklärungen zurückzuweisen, zu eigenthümlichen
Gegengründen; so entgegnet er auch hier 3) : »Hätte die Isolirung des oceanischen
Standorts die Folge gehabt, Pflanzen der Tertiärperiode zu erhalten
und umzubilden, wie kommt es, dass Island, dass ein grosser Theil der
Südseeinseln von solchen Wirkungen keine Spur erkennen lässt?« Dass
die Glacialperiode auf Island von der alten Tertiärflora kaum eine Spur
übrig lassen konnte, wird gar nicht in Erwägung gezogen. Es sind für
Makaronesien nicht blos characteristisch die tropischen Gattungen, welche
daselbst noch einzelne Vertreter haben, sondern es ist ebenso auffallend
die äussere Gestaltung mehrerer endemischer Gattungen und Arten, die
1) 0. He e r : Untersuchungen über das Klima und die Vegetationsverhältnisse des
Tertiärlandes (1 860) p. Uo.
2) J. D. Ho O k e r : On insular Floras (British Association 4 866).
3) G r i s e b a c h , Vegetation der Erde p. 515.
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10. Beziehungen der Mediterranflora zu entfernter gelegenen Florengebieten. 75
mit denen des Mittelmeergebietes verwandt sind. Sehr viele von ihnen
sind bäum- und strauchartig; dies dürfte uns bei der grossen Menge von
Baum- und Strauchformen, die das Mediterrangebiet aus so vielen Pflanzenfamilien
besitzt, nicht so sehr überraschen; diher MiischiaWollastojiii^ Campcmula
Vidalii^ Geranium anemonoides^ Sinapidodendron^ Melanoselinum decipiens
j Aeonium gigantewn^ Echium giganteum und die damit verwandten
Arten verhalten sich doch insofern eigenthümlich, als sie Zweige mit
sehr zahlreichen, nicht immergrünen, äusserst dicht stehenden Blättern
und erst nach längerer Zeit auftretenden Blüthenständen besitzen. Es ist
einleuchtend, dass ein warmes, feuchtes und fortdauernd die Entwicklung
neuer Blätter gestattendes Klima die Bildung und Erhaltung solcher Formen
befördern muss. In dem eigentlichen Mediterrangebiet ist der Winter aber
noch mächtig genug, um die Existenz solcher Pflanzen zu bedrohen; es
haben sich daher wohl anders organisirte Verwandte der canarischen Formen
erhalten und reich entwickelt; diese selbst aber blieben auf die wenigen
Inseln beschränkt, da ihnen ja auch keine Gelegenheit gegeben w^ar,
sich weiter auszubreiten. Würden die Canaren durch Verbindung mit dem
Festlande ihren Inselcharacter verlieren und noch westlich über sie hinaus
Land gehoben werden, dann ginge damit auch das anhaltend feuchte Klima
verloren , und ein grosser Theil der ursprünglichen Vegetation würde sich
nicht halten können. Was von den Canaren supponirt wird, ist aber bei
den meisten Theilen des Mittelmeergebietes Thatsache. Die pyrenäische
Halbinsel, Algier, Tunis mit Sicilien und Unteritalien waren in der e.ocenen
Zeit Inseln oder vielfach vom Meer eingeschnittene Halbinseln, nicht blos
unter dem Einfluss des wasserreicheren Mittelmeeres, sondern auch des im
Süden sich ausdehnenden, an Inseln nicht armen Saharameeres stehend.
Der Vegetationscharacter musste jedenfalls zur eocenen Zeit, auf den Canaren
auch noch zur miocenen Zeit ein tropischer sein; bei der allmälig
eintretenden Temperaturerniedrigung, für die ja so viele Thatsachen sprechen,
musste natürlich ein grosser Theil der tropischen Formen in Makaronesien
untergehen, wie sie grossentheils am Rande des Mittelmeerbeckens
ausgestorben sind; die noch vorhandenen, ganz isolirt stehenden Arten
aber müssen Reste jener alten Vegetation sein. In der quaternären Periode
hatte die Flora von Madeira bereits einen ähnlichen Vegetationscharakter
wie jetzt, denn es wurden dort unter einem tausend Fuss mächtigen Lager
von Basalten und Tuffen gefunden i) : Laurus canariensis, Oreodaphne
foetens , Vacciniim maderense, Myrica Faya, Erica arborea, Rhamnus latifolius,
Coryl'us australis, Salix Lowii Heer, Pistacia Terebinthus^ Pteris
Aquilina, Woodwardia radicans ^ Davallia canariensis. Daraus ergiebt sich
1) 0. He e r : üeber die fossilen Pflanzen von St. J o r g e in Madeira. Denkscliriftea
der Schweiz, nalurf. Gesellsch. 1806.
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