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Z w e i t e r Abschnitt.
Eigenthümlichkeiten der Pflanzenwelt in Australien, Neuseeland
und auf den oceanischen Inseln, nebst Bemerkungen
über ihre Entwicklung.
Z w e i t e s Capitel.
Ueber die Gliederung und die Beziehungen der Flora Australiens.
Wiclitigste Quellen für das Studium der Flora Australiens. — Tabellarisclie Uebersicht über die Verbreitung
der einzelneu Familien und Unterfamilien in verschiedenen Tlieilen Australiens. — Die sich
hieraus ergebenden Kesultate. — Zahl der Arten in Australien im Verhältniss zu andern Erdtheilen. —
Pfianzenfamilien, welche in Australien ^fehlen. — Pflanzenfamilien, welche in Australien allein oder
fast ausschliesslich vertreten sind. — Vereinzeltes Auftreten der die australische Flora characterisirenden
Formen in andern Gebieten. — Vergleich der einzelnen Theile Australiens untereinander hinsichtlich
des Endemismus und der in ihnen entwickelten Florenelemente. — Verzeichniss der Familien,
welche nur in Ostaustralien vorkommen, und Höhe ihrer Entwicklung. — Vertheilung der wichtigeren,
über ganz Australien verbreiteten Pflanzenfamilien. — In Westaustralien allein ist keine der grösseren
Pflanzenfamilien vertreten. — Ursprung des Artenendemismus von Westaustralien und Besprechung
ähnlicher Verhältnisse in andern Theilen der Erde. — Es giebt zwei sehr verschiedene Arten von Endemismus,
von denen die eine auf Erhaltung alter Formen, die andere auf Bildung neuer beruht. — Günstige
Verhältnisse trockener Florengebiete für eine reiche Formenentwicklung. — Beziehungen Australiens
zu Afrika. — Beziehungen Australiens zum Mittelmeergebiet. ~ Beziehungen Australiens zu Ostasien.
— Beziehungen Australiens zu den Inseln des stillen Oceans.
Bei der Untersuchung der Entwicklung der Florengebiete im extratropischen
Gebiet der nördlichen Hemisphäre konnten wir ausgehen von der
circumpolaren Flora früherer Zeiten und sahen, wie ein Theil derselben sich
in südlicheren Breiten erhalten konnte. Dieser Weg ist uns für die Länder
der südlichen Hemisphäi-e bei dem jetzigen Standpunkte der Phytopaläontologie
jener Gebiete verschlossen. Es fragt sich nun, ob wir zweckmässiger
mit der Betrachtung der antarktischen Flora oder mit der eines Landes
beginnen, welches zwischen dem antarktischen und dem tropischen Gebiet
in der Mitte liegt. Da wir sehen, dass auf der nördlichen Hemisphäre das
arktische Gebiet keineswegs eigenartige Typen beherbergt, dass vielmehr
in demselben sich überall Beziehungen zu den Formen südlicher Länder
ergeben, so können wir auch in dem antarktischen Gebiet ähnliche Beziehungen
zu den Floren der dem Aequator mehr genäherten Landstriche
2. Ueber die Gliederung und die Beziehungen der Flora Australiens. 13
erwarten und thun daher gut, uns zunächst mit einem grösseren Gebiet
dieser Art vertraut zu machen. Wir haben die Wahl zwischen Australien
und Südamerika, wir ziehen es vor, mit Australien zu beginnen, weil uns
für dieses Land eine umfangreiche Operationsbasis, Bentham's Flora
australiensis, vorliegt. Die aufopfernden Anstrengungen Baron F. v.
M ü l l e r ' s , der theils viele Theile Australiens selbst bereiste, theils sie
durch botanische Reisende erforschen liess, und der enorme Fleiss des berühmten
Pflanzenkenners Bentham haben es möglich gemacht, die Gefässpflanzen
eines so umfangreichen Landes, wie Australien, mit ziemlicher
Vollständigkeit in 7 Bänden zusammenzustellen.
Eine werthvolle Ergänzung dieses mit Unterstützung von F. v. Müller
ausgearbeiteten Werkes liefern die Fragmenta phytographiae Australiae,
welche ich alle bei meinen Untersuchungen benutzt habe, soweit es die
zahlreichen in der Flora austral iensis noch nicht enthaltenen Arten betrifft. Zudem
haben wir den Vortheil, dass die Bearbeitung derFlora von Neu-Seeland
und der antarktischen Länder durch Si r Joseph Hooker von demselben
Standpunkt aus, wie die Flora australiensis, und mit Benutzung derselben
Sammlungen unternommen wurde. Dazu kommt noch, dass die Flora
australiensis, ebenso wie die Flora von Neu-Seeland, sehr übersichtlich
gearbeitet sind und für pflanzenstatistische Untersuchungen leicht als
Grundlage dienen können, zumal B e n t h am auch immer bei jeder Gattung
auf. die Beziehungen zu den Nachbargebieten hingewiesen hat. Es ist bekannt,
dass unsere beiden berühmten englischen Autoren in der Begrenzung
der Arten oft erheblich von anderen Autoren abweichen, es ist daher
nicht selten und namentlich von Monographen gegen Identificirungen dieser
Autoren Widerspruch erhoben worden; für die Resultate pflanzengeographischer
Untersuchungen ist es nun allerdings manchmal von grosser
Wichtigkeit, ob die Identificirung einer Pflanze der südlichen Hemisphäre
mit einer der nördlichen Hemisphäre vollkommen richtig ist oder nicht, und
habe ich daher in solchen Fällen, soweit es die mir zugängliche Literatur
gestattete, auch monographische Arbeiten zu Rathe gezogen.
Den Pflanzengeographen ist es bekannt, dass wir eine ausgezeichnete
Arbeit von Sir Joseph Hook er über die Eigenthümlichkeiten der Flora
Australiens^) besitzen. Diese Arbeit erschien vor der Herausgabe der
Flora australiensis und war ungleich mühevoller, als die folgenden Untersuchungen,
welchen ein so umfangreiches Werk, wie Bentham' s Flora,
zu Grunde gelegt werden konnte. Die von mir gewonnenen Resultate stim-
.men grossentheils im Wesentlichen mit denen Hooker' s zusammen, wenn
ich mir auch in mehreren Punkten eine abweichende Anschauung und Er-
1) J. D. H o o k e r : »On the Flora of Australia, its origin, affinities and distribution
; being an introductory essay to the Flora of Tasmania. London 1859. laap. 40.