
326 VI. Allgeineiaer Ueberblick über die Verbreitung der Pflanzen.
seren und inneren Einrichlungen zu vererben. In weniger abgeschlossenen
Gebieten aber können die localen Verhaltnisse weniger zur Erhallung der
Varietäten beitragen; da sind sie und namentlich das Klima nicht dadurch
von Bedeutung, dass sie Umbildung und Anpassung befördern, sondern
nur dadurch, dass sie bestimmen, welche der aus den Nachbargebieten andrangenden
Formen Platz greifen dürfen.
F ü n f z e h n t e s Capitel.
Griippining der pflanzengeographisclien Gebiete der Erde.
Hinweis auf die in Folge geologischer Veränderungen erfolgten Verscliietungen der Vegetationsg^biete
- In der Tertiarperiode waren bereits 4 Grundelemente der heutigen Vegetation vorhanden - Aus diesen
entwickelten sich später einige Misclielemente. - Eintheiluug der Vegetationsdecke der Erde in
Florenreiche, Gebiete, Provinzen, Zonen und Bezirke.
Die umfangreichsten Veränderungen in der Pflanzendecke erfolgten in
Uebereinstimmung mit den geologischen Veränderungen. Dass in den einzelnen
Florengebieten ein Wechsel der sie bedeckenden Pflanzenwelt stattfand,
konnten wir einerseits aus den Funden fossiler Pflanzen constatiren,
andrerseits aus der Verbreitung der Pflanzen und den geologischen Verhältnissen
des Landes folgern; über die Zeit, in welcher diese Veränderungen
erfolgten, blieben wir aber sehr oft im Unklaren, namentlich bei den Ländern
der Tropen und der südlichen Hemisphäre, so dass wir nicht sicher
sind, ob nicht manche Veränderungen, die wir in die Tertiärperiode oder
an das Ende derselben verlegen, vielleicht schon früher erfolgt sind;:
jedenfalls aber sind wir sicher, dass die durchgreifendsten Veränderungen
in den Floren durch die Hebung der europäisch-asiatischen Hochgebirge
von den Pyrenäen bis zumHimalaya, sowie der Anden Amerikas und später
durch den Einfluss der Glacialperiode erfolgten, ohne dass wir jedoch die
Eisbedeckung derErde in solcher Ausdehnung annehmen, wie von mancher
Seite geschieht. Die wichtigsten Resultate ergaben sich bezüglich der Verbreitung
einzelner Familien und ihrer Verbreitungswege. M''"ir sahen, dasszu
verschiedenen Zeiten die Verbreitung vom nordöstlichen Asien nach dem
nordwestlichen Amerika und umgekehrt erfolgte, dass ferner die Verbreitung
zu beiden Seiten des stiUen Oceans vor sich ging; wir konnten constatiren,
dass transoceanische Wanderungen bei gewissen Pflanzen wohl"
erfolgen konnten und so auch eine verhältnissmässig geringe Anzahl von
Arten aus dem tropischen Amerika nach Westafrika gelangte; endlich
sahen wir in sehr vielen Fäll-en, dass die Wanderung sich vorragsweise
13. Gruppirung der pflanzengeographischen Gebiete der Erde. 327
längs der grossen Gebirgszüge erstreckte, welche in der alten Welt von
West nach Ost, in der neuen von Nord nach Süd streichen.
Trotz aller Wanderungen, welche in Verbindung mit andern Erscheinungen
die Zusammensetzung der Floren im Laufe der Zeit erheblich geändert
haben, ergiebt sich aus der Verbreitung der Pflanzen, dass schon in
der Tertiärperiode verschiedene Florenelemente vorhanden waren, welche
zwar auch hier und da aus einem Florengebiet in das andere hinüberreichten,
aber doch auch von grossen Territorien ausgeschlossen waren.
1. Das arcto-tertiäre Element, ausgezeichnet durch zahlreiche
Coniferen und die zahlreichen Gattungen von Bäumen und Sträuchern,
welche jetzt in Nordamerika oder in dem extratropischen Ostasien und in
Europa herrschen. Es ist dies die Flora, welche in den von Heer als
miocen bezeichneten Fundstätten des arktischen Gebietes, namentlich auch
in Grinnellland unter 81° 46', gefunden wurde und im ganzen circumpolaren
Gebiet einen übereinstimmenden Charakter zeigte. Von einer Beslinimung
der Südgrenze dieser Flora müssen wir natürlich absehen; wir können sie
vielleicht da ziehen^ wo die tertiären Palmen ihre Nordgrenze finden; es
würden also solche Grenzpunkte vielleicht sein dieNordküsie der Vancouver-
Insel, BoveyTracey in England, Utznach bei Zürich, Lobsann am Unterrhein,
Bornstädt in Thüringen, Kutschlin in Böhmen, Laubach in Hessen. Auch
können wir sagen, dass schon damals in dem Gebiet dieses arcto-tertiären
Elementes verschiedene Zonen existiren mussten, wenigstens scheinen die
Coniferen in den nördlicheren Theilen Grönlands, auf Spitzbergen, an der
Mündung des Mackenzie dominirt zu haben, während sie weiter südlich nur
spärlich vertreten waren. So lange aber nicht die Aufschlussgebiete zahlreicher
und die Altersbestimmungen weniger bestreitbar sind, können wir
nicht auf die Frage nach den Zonen jenes arclo-tertiären Gebietes eingehen.
Aus den pflanzengeographischen Thatsachen können wir schliessen, dass
die südliche Zone dieses arcto-tertiären Gebietes jene Gattungen enthielt,
welche jetzt mehr sporadisch auf der Strecke vom Mittelmeergebiet durch
den temperirten Himalaya, Nordchina und Japan bis Nordamerika und bis
zu den Anden auftreten. Nach den aus eocenen und oligocenen Fundstätten
stammenden Familien scheint in der südlichen Zone eine ähnliche Vermischung
der paläotropischen und arcto-terfciären Typen bestanden zu haben,
wie wir sie jetzt noch im nördlichen China und südlichen Japan finden. Es
s c h e i n t mi r sehr v e r f e h l t , daraus schl ies sen zu wol l e n , dass
z u d i e s e r Zeit ü b e r a l l ein solches Gemisch bestanden habe,
w i e in diesem Grenzgebiet. Zu diesem arcto-tertiären Element
würden jedenfalls de Candolle' s Mesothermen, vielleicht aber auch
Mikrothermen und Hekistothermen gehören, da kaum zu bezweifeln ist,
dass letztere in der Tertiärperiode zum Theil schon an den Polen exisLirten.
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