
1 '
i ! '
> '
V ''
• :
• '
[ 8 2 V. KnUvickluiig- der PlUHizenwelt in den ausserhalb der Hochgebirge etc.
wieder dahin vordringen. Der durchscblagendsle Grund dafür, dass in
England und Irland die Vegetation sich nicht von der antediluvialen Zeit
bis in die Gegenwart erhalten hat, ist für mich aber der, dass daselbst trotz
der so zahlreichen Mittehneertypen keine einzige endemische Form dieser
Gallungen existirt. Dies beweist, dass die ursprüngliche Flora in Grossbrilannien
ebenso wie in Norddeutschland während der Glacialperiode bis
auf die wenigen Glacialpllanzen vertrieben und vernichtet wurde.
So drang also im Westen Europas die Hauptmasse der im Süden erhaltenen
Pihmzen vor und besiedelte den Norden. Wir sahen aber oben, dass
nach dem Verschwinden des nördlichen Eismeeres zwischen Ural und Jenissei
auch ein Vordringen der östlichen Pflanzen nach Europa erfolgte,
theils arktische, Iheils sibirische Gebirgspflanzen, theils echte Steppenpflanzen,
spater auch Waldpflanzen. Die Waldpflanzen des Ostens hatten
sich mit denen des südwestlichen Gebietes in den grössten Theil des nördlich
der Alpen und Karpathen gelegenen Landes zu theilen. Es ist begreiflich,
dass jetzt, so lange die Feuchtigkeit in Europa zunahm, die im Südwesten
Europas erhaltenen Pflanzen gegenüber den neuen Ankömmlingen aus
dem Osten im Vortheil waren ; sie hatten nicht nur den Vortheil eines viel
kürzeren Weges, sondern auch den eines günstigeren Klimas; sie waren
meist in Westeuropa schon sesshaft geworden, als die östlichen Pflanzen
dahin gelangten. Es gewährten wohl manche Standorte noch den älteren
östlichen Pflanzen günstigere Bedingungen und konnten neu einwandernde
vereinzelt wohl auch noch sich ansiedeln, aber eine grosse Anzahl unterlag.
Als nun England vom Continent sich isolirte, da waren eben sehr
viele östliche Pflanzen noch nicht bis nach dem nördlichen Frankreich und
Belgien gelangt, daher fehlen diese Pflanzen in England, wiewohl sie auf
dem Continent allmälig auch im Westen häufiger geworden sind. Solche
im übrigen Mitteleuropa häufige , in England fehlende Pflanzen sind folgende:
Anemone ranunculoides L., Hepatica triloba ChaiX; Thalictrum angustifoliiim
Jacq. , Corydalis cava Schweigg. etKoerte, C. fabacea Pers.,
Viola inirabiUs L., Dianthus superbtis L., ¿). CarthusianorumL,^ Tilia platyphyllos
Scop., Geranium palustre L., Acer platanoides L., Genista germanica
L., Astragalus Cicer L., Lathyrus vernus (L.) Bernh.^ Potentilla alba L.,
Samhiicus racemosa L., Melampyrum nemorosum L., Abies alba Mill., Picea
excelsa (Lamk.) Lk., sodann aber noch viele Pflanzen , welche schon in
Deutschland ihre Ostgrenze finden. Auf dem Continent selbst raachen sich
aber auch ähnliche Verhältnisse bemerkbar; es giebt Pflanzen, w^elche am
Rhein, andere, welche an der Elbe, andere, welche an der Oder, andere,
die an der Weichsel ihre Ostgrenze finden , während andrerseits auch südw^
estliche Pflanzen bis zum Ural reichen.
1) Man vergl. die oben schon erwähnten Verzeichnisse von G e r n d t,
m
i
17. Verdrängung der Glacialpllanzen in Mittel- and Nordeuropa etc. 183
Man sollte nun meinen, dass es fast nicht mehr möglich sei, zu bestimmen
, ob eine im östlichen Europa vorkommende Pflanze westlichen oder
östlichen Ursprungs sei. Dem ist aber in vielen Fällen nicht so, nur muss
man sich eben nicht wie viele der früheren Pflanzengeographen blos mit
der Pilanzenstatistik begnügen, sondern man muss mehr die einzelnen
Pflanzen selbst und ihr Verhältniss zu verwandten, auch in grösserer Ferne
existirenden Formen untersuchen. Alle Untersuchungen über Pflanzenverbreitung
in Mitteleuropa, welche nicht mit einer Kenntniss der Verhältnisse
in Südeuropa und im östlichen Asien gemacht sind, sind für die Entscheidung
unserer Fragen von geringem Werth. Wie man bei Pflanzen,
welche in Mitteleuropa verbreitet sind, über die Herkunft entscheiden kann,
will ich versuchen an einer Familie, den Orchideen^ zu entscheiden, die ja
in Wäldern und auf Wiesen ganz Mitteleui^opas so reich vertreten sind.
Corallorrhiza innata H. B)'. östlichen Ursprungs, da die Pilanze durch ganz Sibirien
aucli im arktischen Gebiet verbreitet ist und auf Sitcha in Noi'damerika eine zweite Art
vorkommt.
Microstylis monophyllos Lindl, östlich, eine zweite Art auf Unalaschka ; auch die verwandte
Gattung Dienia Lindl, kommt in Sibirien vor.
Malaxis paludosa Swartz osllich.
Orchis L. Die mitteleuropäischen Ai'ten sind grösstenlheils nach der Glacialperiode
aus dem Süden gekommen; denn 0. sambucina L., 0. incarnata h., 0. pallens h., 0.
masGida L., 0. laxiftoroLdim,^ 0. coriophora L., 0. globosa L , 0. fusca Jacq., 0. ustulata
L. sind mit andern den einzehien Gebieten mehr oder weniger eigenthümlichen Arten
im Mittelmeergebiet von der pyrenäischen Halbinsel bis zu den Kaukasusländern verbreitet
und im Norden gehen sie über den Ural nicht hinaus, derselbe wird überschritten
von 0. Mario L., 0. latifolia L., 0. militaris L., 0. maculata L. ; es ist daher wahrscheinlich,
dass diese Arten sich von Westen nach Osten verbreiteten.
Gymnadenia R. Br., Platanthera Rieh., Pe^Hstylus Blume, uniereinaniier nahe verwandte
Gattungen, haben ihre Heimath im östlichen Asien, denn Gymnadenia conopea ist
bis Japan, G. ciicullata Rieh, bis Daurien verbreitet und ausserdem finden sich mehrere
eigenthümliche Arten in Japan, unsere Platanthera-kvlen reichen östlich bis Kamtschatka
und Japan und finden sich dort zwischen zahlreichen verwandten Arten , dasselbe gilt
von Peristylus viridis Lindl. Ausserdem kommen daselbst verwandte Gattungen vor, die
in Europa und Westasien ganz fehlen. Wenn wir nun Gymnadenia albida Rieh., Nigritella
angustifolia Rieh, und Gymnadenia odoratissima Rieh, nur in Europa verbreitet
finden, so liegt die Vermuthung nahe , dass sie Typen angehören , welche schon vor der
Glacialperiode in das Mediterrangebiet gelangt waren. Es ist zur Entscheidung dieser
Frage nothwendig, die verwandten Formen Centraiasiens in Betracht zu ziehen.
Ophrys L. ist mediterranen Ursprungs, trotzdem 0. Myodes Jacq. sicii noch auf
Oesel findet.
Listera \^r., NeoUiaL., Epip actis lldiW., Spiranlhes K\ eh., Goodyera R. Br. sind
ostasiatisiilien Ursprungs ; denn es finden sich nicht nur fast alle unser e Arten in Ostasien,
sondern auch noch mehrere verwandte Arten und Gattungen.
Von Cephalanthera Rieh, stammen zwar die europäischen, theilweise bis zum Ural
verbreiteten Arten alle aus dem Mittelmeergebiet; aber es giebt auch andere Arten in
Japan, wo auch die Gdiünn^ Arethusa Gronow. sich findet; es scheint also, dass diese
• .-ü
l i t e
lliii:,^,
Mi