
III. Ilauptzüge der Entwicklung der Mediterranilora seit der Tertiärperiode.
Unter den genannten Pllanzen sind nicht viele, bei welchen eine Verschleppung
durch Schiffe anzunehmen wiire; die meisten wachsen auf den
Gebirgen. Das Vorkommen von Vicia Barbaritae oder Praiigos feriilacea in
Unteritalien und auf der Balkanhalbinsel dürfte vielleicht auf eine Verschleppung
durch Schüfe oder mit Samen von Culturpflanzen zurückzuführen
sein Anders sieht es aber mit solchen Pflanzen wie Saxifraga glahella
Berlol., die sowohl in ftalien, als in Griechenland und Serbien von sehr
beschränktem Vorkommen ist. Wenn es möglich wäre, dass ihre Samen,
zufällig über das Meer hinw^eg von den Abruzzen nach dem thessalischen
Olvmp gelragen, dort zur Entwicklung kommen und die aufgehenden jungen
rilänzchen an schattigen, also jedenfalls schon vorher von andern Pflanzen
besiedellen Plätzen den Kampf mit diesen aufnehmen konnten, so ist doch
zu verwundern, warum diese Pflanze sich in Italien nicht selbst weiter ausbreitet.
Auch ist bei dieser Pdanze und andern ähnlich verbreiteten GebirgspÜanzen
die xMöglichkeit ausgeschlossen, dass sie von der Balkanhalbinsel
über Kleinasien nach Nordafrika und von da nach Unterilalien gelangt
seien; die meisten der hier angeführten Arten fehlen in Kleinasien. Viel
wahrscheinlicher ist für mehrere, dass sie, entsprechend der noch gegenwärtig
bestehenden geographischen Verbreitung von Asphodeline lutea und
Doroniciun cordifolium, früher auch von Griechenland entlang der dalmatinischen
Küste nach Istrien gelangten und von hier durch Krain^
Steyermark, Südtirol nach Italien kamen, dass sie später im Gelände der
Alpen verschwanden und sich nur noch an einzelnen Stellen in Griechenland
und Unteritalien erhielten. Bei denjenigen Pflanzen; deren Verbreitung
auf der Balkanhalbinsel nach Dalmatien reicht, ist das wohl möglich, so bei
Doronicum caucasicum, Carex niacrolepis^ Cytisus spinescens. Eine zweite
Erklärung scheint mir aber noch mehr Wahrscheinlichkeit für sich zu haben,
nämlich die, dass zwischen Unteritalien und dem jetzt im Rinken begriffenen
Dalmatien ehemals eine Landverbindung bestand, deren Rest der Monte
Gargano ist, auf den einige der angeführten Pflanzen in Italien beschränkt
sind. Die geringe, weit unter 100 Faden betragende Tiefe des Meeres zwischen
diesem Vorgebirge und den dalmatinischen Inseln spricht entschieden
1) Als ein interessantes Beispiel von Verschleppung mit Samen von Culturpllanzen
ist folgendes zu erwähnen. Als vor einigen Jahren in der Nähe von München Lagerhäuser
für das aus Ungarn mit der Simbtich-MHener Balm kommende Getreide errichtet
worden waren und daselbst das Reinigen des Getreides vorgenommen worden war, war
auf den umliegenden blossgelegten Plätzen in den folgenden Jahren eine sehr reichhaltige;
aus östlichen PiUmzen bestehende Ruderalilora wahrzunelinien. Viele dieser PÜanzen
beünden sich noch da und sind noch nicht im Kampf mit den schon länger in Deutschland
heimisch gewordenen Unkräutern erlegen. Wenn wir also d e r a r t i g e aus dem
Orient stammende Pllanzen in Unterilalien ünden und nicht in Spanien, so kann das eben
in blossen Zufälligkeiten seinen Grund haben , denen der Transport der Samen zu veidanken
ist.
0. Beziehungen der Mediterranflora zu entfernter gelegenen Florengebieten.
dafür. Endlich kann in einzelnen Fällen noch eine dritte Erklärung zugelassen
werden; es können die in Unteritalien und Griechenland vorkommenden
»Arten« nur Formen von weiter verbreiteten Arten sein^ die unter
gleichartigen Verhältnissen entstanden sind. So könnte man die Behauptung
nicht ganz von der Hand weisen, dass Potentüla calabra Tenore eine Form
der verbreiteten Pol. argentea sei, welche unter gleichartigen Verhältnissen
sich auch in entfernten Localitäten entwickele; ebenso könnte man JJosa
Hecleliana für eine südliche Gebirgsform der im Mediterrangebiet verbreiteten
R. glutinosa erklären. Culturversuche würden da vielleicht eine Entscheidung
bringen.
Z e h n t e s Capitel.
Beziehungen der Mediterranflora zu entfernter gelegenen
FlorengeMeten.
Makaronesiens Plora in ihren Bezielmngen zu der des übrigen Mittelmeergebietes, der Troponländer
und Amerikas. - Zurückfüliruug der tropischen Formen der Canaren awf die Tertiävilora. — Beziehungen
der Mediterranilora zur Capllora. — Versuch diese Beziehungen zu erklären; Besprechung der Verhreitungsverhältnisse
einzelner Gattungen, welche liierüber Aufklärung gehen. — Auffallende Beziehungen
des Mittelmeergehietes zu Südamerika. — Zu'r Erklärung dieser Beziehungen ist man nicht genöthigt,
eine ehemalige Landverhindung zwischen Eiiropa und Amerika oder Afrika und Amerika anzunehmen,
sondern es können diese Pflanzen früher eine ausgedehnte Verbreitung von Europa bis weit nach Osten
besessen und sich dieselben gewissermassen an den Endpunkten ihres ehemaligen Areals erhalten haben.
Zu dem Mittelmeer- und Steppengebiet, welche übrigens eine scharfe
Sonderang nicht zulassen, stehen in enger Beziehung die Azoren, Madeira
und die canarischen Inseln, welche alle zusammen unter dem von We b b
lür die Canaren vorgeschlagenen Namen »Makaronesiena zusammengefasst
werden können. Die Flora dieser Inselländer ist für unsere pllanzengeschichtlichen
Untersuchungen vom grössten Interesse und soll daher
etwas näher darauf eingegangen werden. Die Kenntniss ihres Vegatationscharacters,
der ebenso wie der der übrigen von mir besprochenen Florengebiete
in G r i s e b a c h ' s Vegetation der Erde ausreichend geschildert ist,
setze ich voraus. Nach W a t s o n ^) finden sich auf den Azoren 478 Gefässpilanzen,
hiervon sind 40 endemisch und 36 atlantisch. Die endemischen
Arten sind mit Ausnahme zweier Orchideen aus der Gattung llahenaria,
einer Saniciila und des Vacdniimi cylindraceum ^ die alle an nordamerikanische
Typen erinnern , mit Arten des Mediterrangebietes verwandt. Von
den atlantischen Arten , deren Typen zum Theil jetzt im Mediterrangebiet
ganz fehlen, sind besonders hervorzuheben: Dicksonia mlcäa^ Lauriis
canariensis^ Picconia excelsa^ Myrica Faya, Ferner ist in den immergrünen
Wäldern der Azoren die auch in Abessinien und am Cap vorkommende
1) W a l s e n in Godman, Natural history of the Azores.
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