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32-1 VI. Allgemeiner Ueberblick über die Verbreiiiing der Pllanzen.
l)egünsliglen Gebiete eine grössere Mannigfaltigkeit der Pflanzenfamilien
zeigen, hingegen aber eine geringere Mannigfaltigkeit der Arten als die
trockneren Gebiete. Hierbei sind natürlich nicht die Wüstengebiete zum
Vergleich heranzuziehen. Die erwähnte Erscheinung erklärt sich dadurch^
dass das Warmebedürfniss der Pflanzen mehr eingeschränkt werden kann,
als das Feuchtigkeitsbedürfniss, und namentlich für sehr viele Pflanzen ein
gewisser Wärmeüberschuss nicht nachlheilig ist. Da aber die feuchteren
Gebiete zur Aufnahme fremder Pflanzen geeigneter sind, so sind sie auch
rascher mit solchen erfüllt; es ist daher auch in ihnen allgemein für die
Entwicklung neuer, eigenthümlicher Formen weniger Raum vorhanden;
wir sehen daher ziemlich allgemein in den benachbarten trockneren oder
wenigstens zeitweise trockenen Gebieten zwar eine geringere Anzahl von
Familien; aber mehrere der vorhandenen Familien oder Gattungen durch
viel grösseren Formenreichthum und Endemismus ausgezeichnet. Es ist
selbstverständlich, dass das oben Gesagte nur dann Geltung hat, wenn das
feuchte und das trockne Gebiet gleiches Alter haben.
Was nun die Natur der Pflanzen selbst betrifft, so ist schon nach den
vorangegangenen Aeusserungen ersichtlich, dass Feuchtigkeitsbedürfniss
und Warmebedürfniss in erster Linie auf ihre Verbreitung Einfluss haben,
namentlich das erstere. Wir können danach die Pflanzen in hygrophile und
xerophile eintheilen, und wenn man weiter gehen wollte, würde man auch
feinere Unterscheidungen machen können. Die Verschiedenartigkeit des
Wärmebedürfnisses der einzelnen Pflanzen hat Alph. de Gandolle^)
graduell zu bestimmen gesucht und er unterscheidet danach 1) Megat
h e r m e n , gewöhnt an eine Mitteltemperatur von mindestens 20" C. und
zugleich an Feuchtigkeit; 2) X e r o p h i l e (nicht mit den oben erwähnten
identisch), ebenso viel Wärme, aber zugleich Trockenheit verlangend;
3) Mesothermen, gewöhnt an eine jährliche Mitteltemperatur von 15
20^ C.; 4) Mikrothe rmen, welche sich mit einer mittleren Temperatur
von 0 — 14"C. begnügen, und 5) Heki s tothermen, welche sehr wenig
Wärme bedürfen. De Candolle hat dann auch auf die Vertheilung dieser
Pflanzen in den verschiedenen geologischen Epochen hingewiesen.
Wir haben aber noch andere Eigenschaften der Pflanzen als bedeutsam
für ihre Verbreitung ins Auge zu fassen. Dieselbe ist namentlich auch abhängig
von den Verbreitungsmitteln. EinePflanze kann erst dann das Areal
einnehmen, welches gewissermaassen ihrem Feuchtigkeits- und Warmebedürfniss
entspricht, wenn sie geeignete Verbreitungsmittel besitzt. Bei
der einen Art sind dieselben vollkommener, bei der andern weniger voll-
1) Alph. de C a n d o l l e : Constitution dans le règne végétal de groupes physiologiques
applicables à la géographie botanique ancienne et moderne. — Archives des
sciences de la biblioth. universelle. — Mai 1874.
14. üeber einige allgemeine pflanzengeographische Fragen. 325
kommen, und immer kann man annehmen, dass eine Pflanze sich noch nicht
überall da angesiedelt hat, wo sie wirklich existiren könnte, da selbst bei
vortrefllicher Ausstattung mit Verbreitungsmitteln sich immer einzelne
Hindernisse für die Verbreitung finden. Ferner ist von grossem Einfluss
auf die Verbreitung der Pflanzen die Lebensfähigkeit des Typus. Ein veralteter
Typus wird leicht den äusseren Einflüssen unterliegen, der lebensfähige
sie überwinden. Die Lebensfähigkeit äussert sich vor Allem in der
Fähigkeit, Nachkommen zu erzeugen; aber dies ist nicht der höchste Grad
der Lebensfähigkeit. Dieser äussert sich darin, dass die Pflanze die Fähigkeit
besitzt, veränderliche Nachkommen zu erzeugen; denn damit ist die
Möglichkeit gegeben, dass dieselben sich klimatischen Aenderungen des
Landes entsprechend anpassen und somit ihr Terrain behaupten oder im
Kampf mit weniger lebensfähigen Arten erweitern. Man kann wohl sagen,
dass diese Lebensfähigkeit als der wichtigste Factor bei der Verbreitung
der Pflanzen anzusehen ist. Dieser Lebensfähigkeit ist es zu verdanken,
wenn bei der Verminderung der Niederschläge eines Landes die hygrophilen
Formensich allmälig in xerophile verwandeln, wenn bei derHebung
des Landes aus den Megistothermen Mesothermen oder aus Mesothermen
Mikrothei-men werden u. s. f. Es ist fei^ner ein Zeichen von Lebensfähigkeit,
wenn die Pflanze im Stande ist, ihre vegetativen Organe den Verängerungen
oder Verkürzungen der Vegetationsdauer anzupassen, wenn
sie anstatt fortdauernd vegetirender Organe zur Ruhe befähigte zu entwickeln,
ihren oberirdischen Stamm in ein Rhizom, ihr Rhizom in eine
Knolle zu verwandeln vermag u. s. f. Statt weiterer Ausführungen verweise
ich auf die diesen Gegenstand behandelnde Abhandlung F. Hi lde-
] ) r a n d ' s ^ ) . Diese Lebensfähigkeit der Pflanzen ist namentlich von Bedeutung
auf den continentalen Gebieten, wo das Eindringen fremder Pflanzen
in die Areale der älteren immer fortdauert. Auf denjenigen Inselgebieten
aber, welche vom Continent weit abliegen und nur selten fremde
Keime zugeführt erhalten, können Pflanzen von geringerer Lebensfähigkeit
sich länger erhalten, 1) weil auf diesen Inseln die klimatischen Aenderungen
unbedeutender sind, 2) weil die nur noch geringe Lebensfähigkeit besitzenden
Pflanzen keine grosse Concurrenz zu bestehen haben. In diesen
Inselgebieten oder überhaupt in abgeschlossenen Gebieten nehmen wir auch
mehr als irgendwo anders Anpassungserscheinungen wahr. In solchen kleineren
Gebieten sind ja die klimatischen Verhältnisse je nach Lage und Exposition
auch nicht überall die gleichen; es ist daher auch den verschiedenen
entstehenden Varietäten Gelegenheit geboten, den ihnen am meisten
zusagenden Platz einzunehmen und die sich vortheilhaft erweisenden äus-
1) F. H i l d e b r a n d : Die Lebensdauer und Vegetationsweise der Pflanzen, ihre
Ursachen und ihre Entwicklung. — Engler's bot. Jahrb. II, S. 51 fT.
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