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1 6 8 V. Entwicklung der PtlanzonNvelt in den ausserhalb der Hochgebirge etc.
Am grössten ist der Reichthum an Glacialpflanzen in den Mooren am
nördlichen Fuss der Alpen; ich lege hier Caflisch' s vortreffliche Excursionsilora
für das südöstliche Deutschland (nördliche Kalkalpen, Donauhochebene,
schwäbischer und fränkischer Jura, bairischer Wald) zu Grunde.
In diesem Gebiet zähle ich 116 Glacialpflanzen, welche nur in der alpinen
Region, 50, welche nur oder vorzugsweise auf Torfmooren, 12, welche
auch auf Haiden und Auen vorkommen; einige andere finden sichauf Standorten
verschiedener Art. Unter den 50 Glacialpflanzen der Torfmoore sind
aber nicht wenige, welche in diesem Gebiet in die höheren Regionen der
Alpen nicht hinaufsteigen, sich aber durch ihre Verbreitung in dem entfernten
arktischen Gebiet als Glacialpflanzen documentiren und eben nur
in jener Zeit dieses südliche Areal gewonnen haben können. Zu der Zeit,
in w^elcher Salix polaris und S. reticulata in Seeland, dieselben Pflanzen
und Loiseletcria in der ebenen Schweiz vegetirten, hatten die Gletscher
noch eine mächtige Ausdehnung. Wir dürfen annehmen, dass an
ihren abschmelzenden Enden Wasser zu weiten Seen aufgestaut wurde
und dass in einzelnen Theilen der alten Seebecken Vermoorung und Torfbildung
eintrat, wie wir am Rande der meisten oberbairischen Seen sehen.
In diesen Mooren finden sich aber in der Regel nur die gewöhnlicheren
Glacialpflanzen; dagegen sind mehrere Hochmoore, welche bis auf einige
kleine Tümpel vollständig geschlossen sind, reicher an weniger verbreiteten
Arten, so z. B. das Haspelmoor zwischen München und Augsburg, das
Deininger Moor oberhalb München. Es ist wahrscheinlich, dass diese Moore
schon während der Glacialperiode sich bildeten und von den nach dem
Verschwinden der Gletscher eintretenden Ueberschwemmungen nicht berührt
wurden. Die Botaniker, welche auf diesen Mooren nach den seltenen
Glacialpflanzen suchen, meiden die Stellen, in welchen nach Entfernung
des alten Moorpolsters sich neue Torfvegetation entwickelt hatte; denn da
nehmen meistens gewisse Moorpflanzen, die uns eben auf allen Mooren
und so auch am Rande der vermoorenden Seen begegnen, überhand; dagegen
bieten die alten nicht abgebauten Stellen die meiste Aussicht zum
Auffinden der selteneren Glacialpflanzen. Es zeigt das an, dass diese selteneren
Glacialpflanzen wohl unter den früher herrschenden Bedingungen
sich auf den Mooren vollkommen einbürgern konnten, unter den jetzigen
Verhältnissen aber andern Moorpflanzen gegenüber im Nachtheil sind. Ein
anderer Grund für die Annahme, dass schon w^ährend der Glacialperiode
die Bildung eines Theiles der Torfmoore am nördlichen Fuss der Alpen
erfolgte, ist der, dass die meisten der auf den Torfmooren vorkommenden
Glacialpflanzen ihre Verwandten im östlichen Asien besitzen; sie mussten
also daher gekommen sein, als auf der Strecke, welche sie zu durchwandern
hatten, Verhältnisse herrschten, die ihre Ansiedlung gestatteten; dies
war aber zu der Zeit der Fall, als auch in Mitteleuropa wie jetzt im arkti-
IG. Lokale Erhaltung der Glacialpflanzen. 169
sehen Asien Tundren existirten, auf denen Renthiere weideten. In diese
Zeit versetze ich die Wanderung derjenigen in die Alpen aufgestiegenen
Pflanzen, welche jetzt am weitesten nach Norden reichen; dagegen in eine
etwas spätere Periode die Wanderung derjenigen Glacialpflanzen, welche
vom Altai und andern sibrischenGebirgen stammen; denn viele von diesen
w^anderten durch steppenartiges Terrain, zu dem ich die bairischen »Haiden
«, welche keineswegs mit den norddeutschen Haiden identisch sind,
rechnen möchte. Tundra, Steppe und Haide aber sind insofern verwandte
Bildungen, als sie des dichteren Baunwuchses und auch des dichten zusammenhängenden
Graswuchses entbehren. Weniger reich an arktischen
als an alpinen Pflanzen sind die Wiesenmoore; auch da sind es einzelne,
den Graswuchs weniger begünstigende Stellen, aufweichen solche
Pflanzen wie Primida Aiiricula L, , Bartsia alpina L. ^ Gentiana acaulis
L. und Gentiana verna L. gedeihen. Dass an solchen Stellen heutzutage
Samen von Primida Auricula, die ein Vogel aus dem Gebirge dahin bringen
würde, sich möglicherweise daselbst entwickeln könnten, will ich nicht
bestreiten; aber die genannten alpinen Arten bilden mit andern, z. B.
Scirpiis caespitosics^ Pinguictdaalpinami.d Primida fmHnosa an diesen Plätzen
förmliche Colonien inmitten einer Wiesenflora, welche einzelne dieser
Pflanzen nur hier und da aufkommen lässt. Wenn wir nun bedenken, dass
wenige Stunden von diesen Colonien entfernt (ich habe hier das Moor von
Moosach bei München, einen Theil des grossen Dachauer Moores im Auge)
die Ufer des Starnbergersees unzweifelhafte Spuren von Moränenbildung
aufweisen und ebenso nur wenige Stunden entfernt das präglaciale Diluvium
im Isarthal die schönsten Gletscherschliffe zeigt, dann ist es nicht
mehr zweifelhaft, dass die Glacialpflanzen, welche wir jetzt da finden, vor
den übrigen Wiesenpflanzen da waren, welche unter den der Glacialperiode
eigenthümlichen klimatischen Verhältnissen wenigstens theilweise daselbst
nicht existiren konnten; auf den Stellen, wo die Glacialpflanzen ihre dichteren
Colonien bilden 5 hat eben die später entwickelte Wiesenflora noch
nicht die Glacialflora überwuchert. Es wurde oben erwähnt, dass die oberbairischen
»Haidencc, die Garchinger Haide und das Lechfeld bei Augsburg,
denen sich auch die Welser, die Wieselbürger und Wilhelmsburger Haide,
sowie das Steinfeld des Wiener Beckens anschliessen, auch Glacialpflanzen
enthalten, aber die Zahl derselben ist gering (nu,r , auch sind die meisten
dieser Arten auf Mooren anzutreffen und wieder andere finden sich
auch auf den sogenannten Auen. Da nun die genannten Haiden sich auch
an Flussufern entlang ziehen, wenn auch in grösserer Entfernung als die
Auen, so möchte man es für wahrscheinlich halten, dass diese Glacialpflanzen
in der Neuzeit durch die Gebirgsflüsse in die Hochebene gelangen.
Bei deuAuen ist dies für viele Pflanzen zweifellos, denn die Flora derselben
ist ia hohem Grade wechselnd. Wiewohl die Haiden n u r w^enig Glacialti
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