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1 6 2 V. Ealwicklung der Pllanzemvelt in den ausserhalb der Hochgebirge eic.
vorkommenden M. torqualus. Abgesehen von den Resten verschiedener
auch jetzt noch in Mitteleuropa verbreiteter Feldmausarten ist namentlich
noch das Vorkommen des Eisfuchses und des Renthieres , sowie einer Art
von Lagomys ^ dessen jetzt lebende Arten in Sibirien existiren. zu erwähnen.
Diese Fauna entspricht mit Berücksichtigung ihrer heutigen geographischen
Verl)reitung sehr gut einer Flora^ wie wir sie jetzt im nördlichen
Norwegen, Lappland und im arktischen Russland haben; einer Tundren-
Vegetation, in der kleine AVeiden und andere Zwergsträucher dem Boden
anliegen. Wir werden daher, da auch die Entfernung zwischen den seeländischen
Fundstrecken arktischer Pflanzen und den braunschweigischen
arktischer Thiere nicht viel mehr als 3 Breitengrade beträgt, diese Reste als
aus derselben Periode stammend ansehen müssen. Nun finden sich aber
bei Thiede über den Lemmingsschichten in einer Tiefe von 14—22 Fuss
Reste vom Renthier, der Ilöhlenhyäne, dem Pferd , vor Allem dem Mamnmth
und auch/J/u'?iocero5 tichorhinus; diesen Mammuthschichten von Thiede
entsprechen die untersten Schichten von Westeregeln; die mittlem und
obern Schichten von Westeregeln aber sind charakterisirt durch das Vorkommen
von Lacjomys piisillus (jetzt in den südlich der Wolga gelegenen
Gegenden vom Ural bis zum Ob), Arctomys Bobac (jetzt von Galizien und
dem südlichen Polen bis in das südliche Sibirien verbreitet) ^ Scirtetes
Jaculiis (von Südosteuropa bis zum Irtysch), Spermophihis altaims. Nehr
i n g erwähnt auch, dass ebenfalls Steppenthiere von Th. L iebe in Ostthüringen
gefunden wurden. Wenn also auch bisher noch nicht Steppenpflanzen
ebenso wie arktische fossil gefunden wurden; so ist doch einerseits
durch den Umstand, dass Steppenpflanzen durch Europa hindurch
nach den Alpen gewandert sind, andrerseits durch die erwähnten Funde
von Steppenthieren im Innern Deutschlands nachgewiesen ^ dass auf die
Tandrenvegetation eine Steppenvegetation gefolgt ist, und dass dieselbe
sich wenigstens bis an den Harz und das thüringische Bergland erstreckt hat.
Wie wir einerseits aus der Cultur der Alpenpflanzen, andrerseits aus
dem Vorkommen vieler Pflanzen unserer Gegenden im arktischen Gebiet
wissen, können viele der Pflanzen, welche in der Nähe der Gletscher oder
auf einem durch vorbeifliessende Eisströme erkälteten Terrain vorkommen,
erheblich mehr Wärme vertragen, als sie nothwendig brauchen. Es war
daher auch nicht nothw^endig, dass überall da, wo während der Glacialperiode
ein kälteres Klima geherrscht und eine aus Glacialpflanzen bestehende
Flora sich entwickelt hatte, nun auch nach dem Zurückgehen der Gletscher
diese Flora sofort verschwand; sie konnten sich, so lange nicht die klimatischen
und die lokalen Bedingungen eine gar zu durchgreifende Veränderung
erfuhren, so lange namentlich die Concurrenz anderer Pflanzen genügend
ferngehalten wurde, wohl erhalten. Die gefährlichsten Concurrenten
für die meisten Glacialpflanzen sind die Bäume und die hohen, massenhaft
16. Lokale Erhaltung der Glaciaipflanzen.
zusammenwachsenden Sträucher. Die Wärmemenge, welche Fichte, Lerche,
Kiefer nothwendig bedürfen, ist nicht erheblich grösser, als die sehr vieler
Glacialpflanzen ; aber diese Bäume und noch mehr die in niederen Begionen
vorkommenden Buchen werden den Glacialpflanzen und den Alpenpflanzen
namentlich gefährlich durch ihr geselliges Vorkommen, demzufolge sie den
Glacialpflanzen, welche sich von früher her an dem von Bäumen besiedelten
Terrain befanden, bald das nöthige Licht und den Vortheil der directen
Erwärmung durch die Sonnenstrahlen entziehen. Es ist sehr wohl denkbar,
dass eine echte Schattenpflanze der nördlich-gemässigten Zone eine geringere
Wärmemenge für ihre Entwicklung bedarf, als eine Glacialpflanze, die
nur ein paar Monate hindurch , aber an langen Tagen sich des Sonnenlichtes
in vollem Maasse erfreut. Auch wird jeder pflanzenkundige Botaniker in
den Alpen die Erfahrung gemacht haben, dass in den felsigen Schluchten,
welche aus der alpinen baumlosen Begion tief in die Waldregion hinabreichen,
alpine und Glacialpflanzen in grösserer Menge wachsen, weil eben
da die Bäume nicht so leicht aufkommen können. Aus demselben Grunde
beherbergen die Kiesbetten der von dichten Wäldern umsäumten Alpenflüsse
nicht wenige alpine Pflanzen und aus demselben Grunde gehen auf
den steil abfallenden, felsigen Abhängen der südlichen Alpen manche Alpenpflanzen
tiefer herunter, als an den nördlichen, sanfteren, die Baum Vegetation
mehr begünstigenden Abhängen. Nicht minder feindlich sind den alpinen
und den Glacialpflanzen die ebenfalls gesellig wachsenden Gräser;
Alpenpflanzenculturen gehen meistens daran zu Grunde, dass nicht rechtzeitig
und fortdauernd gejätet wird. Weil auf den sanft geneigten Abhängen
der durch Verwitterung des Gesteins entstandene Humus die dauernde Besiedelung
von rasenbildenden Gräsern gestattet, ist daselbst die Mannigfaltigkeit
von alpinen Pflanzen geringer; je besser die Alpenmatten durch
das weidende Vieh gedüngt werden, desto mehr werden die Alpenpflanzen
aus dem Grasteppich verschwinden. Auf Gebirgen also, deren Höhe und
Bodenverhältnisse die Entwicklung der Baumvegetation, sowie die Entwicklung
einer dichten Grasnarbe begünstigen, mussten die Glacialpflanzen
bald unterdrückt werden. So sind denn auch meistens aus den mitteldeutschen
Gebirgen, welche der Entwicklung der Waldflora keine Schranken
setzten, die Glacialpflanzen verdrängt worden; nur auf dem Jura, dem
Schwarzwald, denVogesen, dem bairischen Wald, den Sudeten und dem
Harz konnten sich dieselben theilweise erhalten; aber auch da können wir
leicht die Wahrnehmung machen, dass die Ausbreitung der Viehzucht die
Verdrängung der älteren Flora zur Folge hat; der üppige Graswuchs um
die sogenannten Bauden, die Sennhütten des Riesengebirges, zeigt dem Botaniker,
dass er hier von den eigentlich alpinen Pflanzen weniger zu erwarten
hat. Auf diese Gebirge gingen während der Glacialperiode auch zahlreiche
Pflanzen der Alpen und Karpathen über, auf den Jura Pflanzen der
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