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V. Eutwickluiii^ der Pnanzenwclt in den ausserhalb der Hochgebirge elc.
verliältnissiuässig wenige Arien der ursprünglichen Flora können sich auf
dem allen Terrain erhallen oder anderswo ansiedeln. Daher das allmälige
Aussterben so vieler Pflanzen, welche früher in den Torfmooren oder auf
Waldwiesen verbreilel waren. Die salzigen und sauren, vom Landwirlh
gering geschälzten Wiesen sind es, welche der sammelnde Botaniker vorzugsweise
aufsucht. um weniger verbreitete Pflanzen zu finden. Auch die
Wiesen, auf welche der Mensch seine Heerden fortdauernd treibt, verlieren,
selbst ohne sonstige Veränderungen des Terrains, einen grossen
Theil ihrer früheren Beslandtheile; die Blüthen werden abgebissen und
diejenigen Pflanzen, welche vorzugsweise auf die Fortpflanzung durch Samen
angewiesen sind, also die einjährigen Kräuter^ treten zurück, während
die rasenbildenden und für die animalischen Dünger leicht empfänglichen
Pflanzen sicli üppigst entwickeln. Am Auffallendsten treten diese Verhältnisse
in den Alpen da hervor, wo Rindvieh in grösserer Menge weidet. In
der von Schafen und Ziegen besuchten hochalpinen Region sind die mehrjährigen
mit tief in der Erde sitzendem Grundstock versehenen Alpenpflanzen
mehr befähigt, der Vernichtung zu widerstehen; auch wird da durch die
vom Menschen gezüchteten Heerden in der Vegetation kaum mehr Schaden
angerichtet, als früher durch die viel häufigeren Heerden von Gemsen oder
wilden Schafen.
Die zufällige Einschle[)pung der Pflanzen mit Schiffen , Getreide und
Vieh ist nicht ganz unwichtig; es ist ja bekannt, wie viele von diesen
Pflanzen an ihren secundären Standorten sich nur kurze Zeit behaupten
können; andererseits ist aber auch durch mehrere Beispiele hinlänglich erwiesen,
wie an gewissen Orten die Fremdlinge über die einheimischen
Pflanzen die Oberhand gewinnen und sich vollkommen einbürgern; am
leichtesten geschieht das bei solchen Pflanzen, die auf einem nicht dicht von
einheimischen Pflanzen besetzten Terrain geeignete Existenzbedingungen
(inden. So sind sandige; pflanzenarme Flussufer ein guter Boden für die
amerikanischen Eindringlinge, wie Oenothera biennis L., Solidago ca7iadensis
L. und yl^to'-Arten , andererseits schattige, finstere Plätze in Laubwäldern
für die aus dem Osten gekommene Impatiens parviflora DC., die allerdings
auch auf Gartenland gedeiht. Indess giebt es doch auch manche Arten,
welche, aus einem Florengebiet in ein anderes gelangt, auch im Stande sind,
sich mitten zwischen den einheiniischen Pflanzen festzusetzen, so im Mitlelnicei'gebict
Opuntia und Agave americana L , im Waldgebiet Riidheckia laciniataL.
an Flussufern in Norddeutschland, Telekia speciosa Baumg. im
Schlesierthal bei Schweidnitz in Schlesien^ Collomia grandiflora Dougl. an
Flussufern, Spiraea salicifolia L. in Steiermark, Narcissus Pseudo-Narcissus
L. in der Rheinprovinz u. a. m.
Es hat aber auch die Cultur zur Bildung eigener Vegetationsformationen
beigetragen ^ welche grösstentheils aus fremden Elementen bestehen. Die
•fS. Acnderungen der ursprünglichen Flora durch Ausbreitung des Menschen. 199
Ackerflora und die Ruderalflora besteht grossentheils aus Formen, welche
systematisch mit Formen südlicher oder östlicher Gebiete verwandt sind
und auch daher stammen. Wir besitzen in Mitteleuropa keine nahen Verwandten
von Delphinium Consolida L., Centaurea Cyanus L., Agi-ostemma
Githago L., Anagallis arvensis L., wir finden dieselben aber im Mittelmeergebiet
und so können wir^ auch mit Rücksicht darauf ^ dass die genannten
Pflanzen fast immer nur auf Acker- und Gartenland wachsen, bestimmt annehmen
, dass dieses mit der Getreidecultur weit nach Norden verbreitete
Florenelement mediterran ist, denn auch die Papaver-kvien ^ sowie die
Fumaria-hvien haben ihre reichste Entwicklung jenseits der Alpen. Gewiss
mag ein grosser Theil der Ackerpflanzen, wie die Arten von Lamium,
Galeopsisj Carduus^ schon seit alten Zeiten, bevor die Cultur in Nordeuropa
sich ausbreitete, daselbst exislirt haben; sie existirten dann wahrscheinlich,
wie auch jetzt noch bisweilen, zerstreut, an Felsen, auf trockenem Flusskies,
am Meeresstrande; sie waren wahrscheinlich vor der Cultur nicht so
häufig wie jetzt; denn den Kampf mit den Wald- und Wiesenpflanzen
konnten sie eben nur an den obengenannten Stellen aufnehmen; da kam
ihnen aber die Cultur des Menschen zu Hilfe; durch Abbrennen der Wälder,
Ausrodung der Baumstämme^ Auflockerung des Bodens, Düngung desselben
wurden ganz andere Existenzbedingungen geschafTen, welche vorher
gar nicht existirt hatten, aus allen benachbarten Gebieten gelangten Samen
auf solches Terrain und die Samen der Pflanzen, welche vorher nur hier
und da auf einem von Wald- und Wiesenpflanzen verschmähten Boden
mehr oder weniger vereinzelt existirt hatten, konnten nun reichliche Nachkommenschaft
erzeugen. Diese Pflanzen gewannen ausser dem einen Vortheil,
dem immer mehr sich ausdehnenden Terrain, noch einen andern, den
einer grösseren Nachkommenschaft; denn so viel Land auch alljährlich
urbar gemacht werden mochte, so war die Menge der auf dem vorher urbar
gemachten Lande producirten Samen immer mehr als ausreichend, um
neuen offen gelegten Boden zu besiedeln. So wurden also ursprünglich
keineswegs häufige Pflanzen zu allgemein verbreiteten Ackerunkräulern.
Indem der Mensch wanderte und die Samen seiner Culturpflanzen in andern
Gebieten-wieder aussäte, verschleppte er auch die Unkräuter, die selbst
unter andern klimatischen Verhältnissen auf dem von Menschen blosgelegten
Boden neben den Culturpflanzen gedeihen konnten; allmälig gesellten
sich ihnen in dem neuen Gebiet andere Pflanzen hinzu und so bildele
sich allmälig eine Vegetationsformation aus, deren Elemente sehr verschiedenen
Ursprungs sind.
Aehnlich ist es mit der Ruderalflora; von vielen dazu gehörigen Pflanzen, -
wie Datura Stramonium L., Stenactis annua L., Chenopodium. foliosum Aschs.
[Blüum virgatum L.) ^ Xanthiuni spinosuM L. etc. weissen wir j dass sie
fremden Ursprungs; von andern aber, wie den meisten Chenopodium-
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