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S e c h s t e r Abschnitt.
Allgemeiner Ueberblick über die Verbreitung der
Pflanzen,
V i e r z e h n t e s Capitel.
Ueber einige allgenieine pflanzengeographische Fragen.
Die in den vorangegangenen Capiteln beigebrachten Tliatsaclien genügen nur, um von den Veränderlicli
keiten innerhalb der einzelnen Typen und von den Ortsveränderungen der Formen dieser Typen zu über
zeugen. - Es bleiben immer noch sehr empfindliche Lücken in unsern Vorstellungen von der Entwicklung
der Typen selbst übrig. - Frage nach der Einheit der Entstehungscentren. - Es können an ver
schiedenen Stellen der Erde zwar nicht dieselben Formen fortdauernd in derselben Weise variiren- aber
es können doch an entfernten Stellen der Erde verwandte Formenkreise und sogar verwandte Gruppen
von Gattungen sich bilden. - Es giebt unter den von den Botanikern unterschiedenen Gattungen polv
phyletische und monophyletische; nur die Arten der letzteren können auf ein einziges Entstehungsgebiet
zurückgeführt werden. - Die Verbreitung der Pflanzen ist abhängig von der Beschaifenheit des ven
Ihnen bewohnten Landes und von der Natur der Pflanze selbst. - Die Natur des Landes ist abgesehen
von Bodenbeschaffenheit und Klima, insofern von Wichtigkeit, als das Land insular oder kontinental
gebirgig oder eben, alt oder jung ist. - Die Feuchtigkeit ist ein noch wichtigerer pflanzengeographischer
Factor, als die Wärme, und hat namentlich Einfluss auf den Endemismus eines Landes' - Bei den ein
zelnen Pflanzen kommen für die Verbreitung namentlich in Betracht ihr Feuchtigkeitsbedürfniss ihr
Warmehedurfniss, ihre Verbreitungsmittel und ihre Lebensfähigkeit. _ Die umfangreichsten vkrän
derungen in der Pflanzendecke erfolgten in Uebereinstimmung mit den geologischen Veränderungen -
Trotz aller Wandlungen in der Vegetationsdecke der Erde müssen schon in der Tertiärperiode vorhanden
gewesen sein: das arcto-tertiäre, das paläotropische, das neotropische und das altoceanische Element.
la den vorangegangenen Capiteln, welche vorzugsweise die wechselseitigen
Beziehungen der Flora zu einander hervorheben und die Eigenthümlichkeiten
derselben mit der Geschichte des Landes selbst in Verbindung
brachten, glaube ich eine hinreichende Anzahl von Thatsachen angeführt
zu haben, welche es gestatten, nun auch einige für die Entwicklung
der Püanzenwelt im Allgemeinen geltende Schlussfolgerungen zu ziehen'^'
sowie auch eine auf entwicklungsgeschichtlicher Basis beruhende Eintheilung
der Florengebiete vorzunehmen.
Zunächst zeigen die angeführten Thatsachen sicher, dass eine Entwicklung
und eine Formenveränderung stattgefunden hat; es fragt sich
aber, in wi e weit sich dieselbe beweisen lässt. Man kann sehr wohl
Sfil
-14. Ueber einige allgemeine pflanzengeographische Fragen. 317
Anhänger der Entwicklungslehre sein, die Thatsachen der Variation
innerhalb einer Gattung, die That sachen der Anpassung und Fixirung
einzelner Formen, die T h a t s a c h e n dei* Verarmung und der Bereicherung
einzelner Typen, die T h a t s a c h e n der Ortsveränderung der Pflanzen, auch
die T h a t s a c h e n des Fehlens scharfer Grenzen zwischen einzelnen Gattungen
nicht bestrei ten, andererseits aber doch b e h a u p t e n , dass
a l l e diese Dinge nur innerhalb der Formen eines Typus
w a h r g e n o m m e n werden, und dass B ewe i s e für die Entwickl
u n g der Typen auseinander vorläufig fehlen. Hierbei kann
man sehr wohl das innere Bedürfniss empfinden, auch die Entwicklung der
Typen auseinander sich ebenso, wie die Entwicklung der Formen innerhalb
eines Typus vorzustellen, gerade so, wie ein anderer durchaus das Bedürfniss
empfindet, auf einen persönlichen Schöpfer bei der Erklärung je'der
zw^eckmässigen Anpassung zurückzugehen.
Eine Entscheidung über diese Grundfragen zu treffen, dazu reichen
die von mir angeführten Thatsachen nicht aus, wiewohl es ja für die
meisten eine einfache Consequenz ist, die innerhalb der Typen wahrgenommene
Entwicklung auch auf die Entwicklung der Typen selbst zu
übertragen und in Ermangelung anderer Beweise die ontogenetische Entwicklung
zur Erklärung der phylogenetischen Beziehungen zu verwenden.
Dem Botaniker wird die Annahme der angedeuteten Consequenz noch
dadurch erleichtert, dass in der That in den aus den ältesten Epochen
stammenden Formationen sich nur diejenigen Typen finden, welche wir
aus den jedem wissenschaftlichen Botaniker geläufigen und unbestreitbaren
Gründen als auf einer niederen Stufe stehend ansehen, wenn auch diese
niedere Stellung nur mit Rücksicht auf den Fortpflanzungsprocess der jetzt
dominirenden Pflanzen als eine solche gelten kann. F]s wird ferner die
angedeutete Consequenz dem Botaniker dadurch nahe gelegt, dass in der
That nicht bloss intermediäre Formen zwischen den gegenwärtig existirenden
Arten unter den Pflanzenfamilien jüngerer Formationen gefunden
werden, sondern dass auch unter den Fossilien der älteren Formationen
einzelne intermediäre Typen zwischen den jetzt existirenden Typen oder
Collectivtypen auftreten. Andererseits aber empfinden wir schmerzlich
die Lücken, welche zwischen den meisten Typen noch nicht überbrückt
sind, und vor allen Dingen bleibt uns noch immer unerklärt das fast plötzliche
Auftreten zahlreicher Dicotyledonen In der Kreideformation. Wir
sehen da auf einmal so viele verschiedenartige Typen der Dicotyledonen in
die Erscheinung treten, dass die vorhandenen Lücken ebenso zur Unterstützung
der Annahme dienen können, es seien damals schon alle jetzt
existirenden Typen vorhanden gewesen, wie zu der gegentheiligen Annahme,
es habe sich ein Theil der jetzt existirenden Typen erst später entwickelt.
Bekanntlich haben aber die auf das Fehlen einzelner Typen im
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