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V i e r t e r Abschnitt.
Entwicklung der Hochgebirgsfloren vor, während und
nach der Griacialperiode.
E l f t e s Capitel.
Allgemeinere Betrachtungen über die Hochgebirgsfloren.
Allmillig eintretende Unterbrechung der Wege, -welche früher die schrittweise Verbreitung der Pflanzen
aus dem östlichen Continent nach dem westlichen und namentlich im östlichen Continent selbst nicht
mehr gestatteten. — Aendernng der Vegetationsbedingungen in Centraiasien durch die Hebung des
Himalaya. — Allmälige Vergletscherung der Hochgebirge und Einiiuss derselben auf die benachbarten
Gebiete. — Fähigkeit vieler Pflanzen, ein gewisses Plus von Wärme zu ertragen, daher die Möglichkeit,
dass Glacialpfianzen in der Glacialperiode auch in der etwas wärmeren Ebene verbreitet waren und so
Gebirgszüge ihre Floren austauschten, welche durch Ebenen von einander getrennt sind. — Theoretische
Betrachtung über die Entstehung der Hochgebirgsformen. — Die Pflanzen der alpinen Region der meisten
europäischen und asiatischen Hochgebirge sind theils mit den Arten der untern Keglonen verwandt,
theils nicht. Ursachen der Mischung verschiedenartiger Florenelemento in den Gebirgen.
Dass in der Tertiärperiode viele heut in ihrem Vorkommen sehr beschränkte
Gattungen ein sehr weites Verbreitungsgebiet besassen, ist faktisch
erwiesen ; es war daher nicht sehr gewagt, anzunehmen^ dass einzelne
Typen sich nur an weit entfernten Lokalitäten^ wo gerade die Existenz der
Gattungen nicht gefährdet wurde ^ bis in die Gegenwart erhielten. Dass
wir aber die Zeit, in welcher die jetzigen Lücken in der Verbreitung ausgefüllt
waren, so weit zurück legen, hat darin seinen Grund, dass eben die
Gebiete, über welche hinweg die Wanderung erfolgen musste, sich nach
dem Verschwinden der tertiären iMeere und des wärmeren Klimas der Tertiärperiode
in einem Zustand befanden^ welcher auch für eine zeitweise
Ansiedelung der meisten besprochenen Pflanzen nicht geeignet war. Das
gilt von den meisten Gattungen und Arten, welche Amerika und dem östlichen
Continent gemeinsam sind, ohne dabei arktisch zu sein. Im östlichen
Continent selbst waren auch nach der Tertiärperiode Wanderungen über
grosse Strecken hinweg möglich. So in der Richtung vom Amurland nach
dem Altai, dem Alatau, Thianschan, Nordpersien, Armenien, Kleinasien,
Balkanhalbinsel; dieser Weg war besonders geöffnet den Gebirgspflanzen,
so lange noch die untern Regionen des Alatau, Thianschan, Hindukusch und
11. Allgemeinere Belrachtungen ül)er die Hochgebirgsfloren. 85
der persischen Gebirge durch das aus der Schneeregion herabkommende
Wasser genügend befeuchtet, von W^äldern bedeckt waren; derselbe W^eg
bot aber später vielen Pflanzen unübersteigliche Hindernisse, als nur noch
die obern Regionen der genannten Hochgebirge befeuchtet wurden, die
untern aber immer mehr den Charakter der Steppen annahmen. Ein anderer
Weg über die östlichen Randgebirge der Gobi hinweg nach dem Himalaya
und von hier nach Persien war auch so lange benutzbar, als genügende
Feuchtigkeit in den untern Regionen der einander berührenden Gebirgssysteme
vorhanden war, doch konnte dieser Weg für Feuchtigkeit und
Wärme bedürfende Pflanzen nur während der Tertiärperiode zugänglich
sein.
Als einmal der Himalaya gehoben war, wurde durch dessen Südabhang
den im Norden dieses Gebirges liegenden Ländern der grösste Theil der
Feuchtigkeit entzogen, welche ihnen früher zu Theil wurde. Die nördlichen
Abhänge des zum Gobimeer, dann zur Gobiwüste abfallenden Landes
mussten immer mehr von ihrer ursprünglichen Vegetation verlieren, je
mächtiger sich der Himalaya als Scheidewand erhol) und je weiter das Go-
].)imeer zurückwich. Das umgekehrte Verhältniss musste sich auf den Gebirgen
Persiens, dem Hindukusch und Alatau, einstellen, als die allmälige
Trockenlegung der Sahara, Arabiens und des Pendschab erfolgte; hierw^aren
es die Südabhänge, welche zuerst ihre Vegetation verloren. Damit standen
im Zusammenhang der Untergang vieler Arten, die Einschränkung des Verbreitungsgebietes
anderer, die Unterbrechung der südlichen Wanderstrasse
von Osten nach Westen, andererseits aber auch die reichere Entwicklung
derjenigen Formen, welche fähig waren, die ungünstigeren Verhältnisse zu
ertragen, und nun, durch den Kampf mit Concurrenten weniger beschränkt
als vorher, eine Menge Varietäten bilden konnten, die allmälig zu Arten
wurden. So ist es zu erklären, dass auf verhältnissmässig beschränktem
Gebiet einzelne Gattungen in solcher Fülle von Arten sich entwickelt haben,
wie Astragalus^ Coiisinia, Centaurea^ Alyssitm^ Acantholimon^ Phlomts.
Die grösste Umgestaltung der Florengebiete wurde herbeigeführt durch
die Vergletscherung der Hochgebirge. So wie die Gletscher der Alpen eine
so bedeutende Ausdehnung hatten, dass dieselben selbst auf der Südseite
bis nach Turin reichten, so wie in den Pyrenäen die Gletscher sich bis an
den nördlichen Fuss derselben erstreckten , müssen auch die Gletscher des
Kaukasus, des Himalaya, des Alatau, des Thianschan einmal eine grössere
Ausdehnung besessen haben; es fragt sich aber, ob die Vergletscherung
dieser Gebirgssysteme zu derselben Zeit auf ihrem Höhepunkt stand, in der
die Vergletscherung der Alpen, der Pyrenäen, des nordöstlichen Deutschlands
und Skandinaviens eine bedeutende Ausdehnung hatte. Die Entscheidung
ist davon abhängig, ob die bekannte Vergletscherung eines grossen
Theiles von Europa ihren Grund hat in kosmischen Ursachen oder, was viel
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