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166 ^' EilUvicklung der Pflanzenwell in den ausserhalb der Hochgebirge etc.
nach dcis Klima mehr den Charakter eines Küsienklimas an sich tragen
musste, auch diejenigen Pflanzenformenj welche wir heute als Alpenpflanzen
bezeichnen, und namentlich diejenigen Gewächse, welche die Alpenrosen-
Formalion zusammensetzen, bis an den Küstensaum sich ausbreiteten, dass
aber mit dem Verschwinden jener Wasserflächen , mit der Entwicklung
weiter Flachländer und der dadurch bedingten allmäligen Umwandlung des
Klimas in ein mehr continentales diese Pflanzenwelt sich gegen die feuchtere
Region der Alpen zurückzog und nur an vereinzelten Localitäten, wo
örtliche Verhältnisse den nothwendigen Feuchtigkeitsgrad darboten, sich
erhalten hat. Die Thatsache, dass noch heute die Formationen der alpinen
Region, namentlich die immergrüne Formation der Alpenrosen in den Seebecken
der nördlichen Kalkzone bis an die Ufer sich herabziehen und dort
in grösster Fülle und Ueppigkeit in Höhen, die selbst unter 2000 Fuss Seehöhe
liegen, gedeihen, spricht nicht wenig fundiese Annahme.« Derselbe um
die entwicklungsgeschichtliche Pflanzengeographie hochverdiente Schriitsteller^)
führt dann aber auch einige Beispiele von sogenannten Alpenpflanzeninseln
an, welche weit von der Kette der Hochalpen liegen und
deren angrenzenden Berge auf ihrem Scheitel gegenwärtig keine einzige
dieser Alpenpflanzen beherbergen und die Fichtenregion noch bei weitem
nicht überragen, welche auch nicht von Gewässern durchzogen werden,
die aus den höhern Alpen kommen; hier fallen also solche Bedenken weg,
wie sie bei der Flora des Isarthaies erhoben werden können. So finden sich
am Wasserspreng bei Gisshübel und Ballenstein bei Schwarzensee nächst
Baden in Niederösterreich in der niedern Bergregion, in einer Höhe von
500 m Draha aiz^oides L., Saxífraga Aizoon Jacq., Achillea Clavennae L.,
im Gebiete des niederösterreichischen Traisenflusses unter dem Annaberg
und am Eingange in das Kasberger Thal nördlich von Hohenberg in derselben
Höhe Rhododendron hirsiitum L., Carex firma Host., Liniini alpimcm L.,
Prìmula Auricula L., Athamaìita cretensis L,, Süene alpestris Jacq,, Bellidiastrum
Michelii Gass., Potentäla caidescens L., Saxífraga rotundifoUa L.,
Arahis hellidifolia i'dcq. ^ Adenostyles alpina Bluff et Fingerhut. Noch viel
reicher ist die alpine Flora am Lassingfall im Gebiet des Erlafflusses und
in der sogenannten Mausrodel vor Lunz im Gebiet des Ibbisflusses in Niederösterreich
in einer Seehöhe von 660 m. Aber auch in noch viel grösserer
Entfernung von der heutigen alpinen Flora der Hochgebirge treffen wi r noch
Spuren der ehemaligen weiterverbreiteten Glacialflora an. Im südlichen
Harz kommt auf den Gypsvorbergen von Ellrich Arabis alpina L., bei Walkenried
Gypsophila repens L., auf dem alten Stollberg Salix bastata L. vor 2).
Dieses Vorkommen von Glacialpflanzen ^ von denen keine mehr in dem zu-
\) Kerne r 1. c. p. 344.
2) Andrée im Archiv der Pharmacie 3. Reihe lY. Bd. p. 524—539.
4 6. Lokale Erhaltmig der Glacialpflanzen. 167
nächst gelegenen Riesengebirge [Arahis alpina L. war früher da, ist aber
verschwunden; Salix hastata L. ist verbreitet im Gesenke) sich findet, ist
schwerlich etwas anderes, als ein Rest der alten Glacialflora an einem während
der Glacialperiode von alpinen Pflanzen bewachsenen Ort. Aehnlich ist
wohl das vereinzelte Vorkommen von Alchemilla alpina L. in Wicklow in
Irland in einer Höhe von 660 m zu erklären. Auch das Vorkommen alpiner
Pflanzen in Oberschwaben, namentlich das vereinzelte von Rhododendron
ferriigineim L. auf dem Schwendimoos bei Kislegg ist theilweise auf die
Pflanzenvertheilung während der Glacialpei'iode zurückzuführen i). Wenn
wir ferner auf dem Isergebirge Pinns Pumilio Haenke in einer Höhe von nicht
einmal 800 m sehr verbreitet finden; so werden wir kaum annehmen dürfen,
dass dieser Strauch erst in neuerer Zeit sich daselbst ausgebreitet habe,
nachdem Thiere Samen vom nahen Riesengebirge dahin gebracht hatten:
Auch das vereinzelte Vorkommen Yon Arabis petraea Lam. auf Kalkfelsen
bei Solnhofen, Regensburg und in anderen Theilen Raierns, ebenso das von
Draba aizoides L. bei Solnhofen^ Treuchtlingen, Ulm datirt wahrscheinlich
schon aus der Zeit, während welcher diese Pflanzen sich bis nach Rritannien
und Labrador verbreiteten. Ferner i^echne ich hierher das Vorkommen
von Alsine verna^^vü, bei Eichstätt und Hersbruck im Fränkischen Jura,
von Androsace lactea L. bei Friedingen und Reuren im Schwäbischen Jura,
von Pedicidaris foliosa L. auf dem Hundsrück bei Hohenzollern, von Ahns
viridis DG. bei Passau. In welchem Theil der Glacialperiode diese Verbreitungsverhältnisse
zu Stande kamen, ist freilich vorläufig schwer zu ermitteln.
Wir müssen uns jetzt nur mit der Annahme begnügen, dass dies
geschah, bevor die nach Süden zurückgezogenen Formen wieder nach Norden
voi^drangen. Neuerdings sind auch interessante Mittheilungen über
derartige Vorkommnisse im europäischen Russland gemacht worden. Auf
der Waldai'schen Hochebene (ungefähr 300—330 m) finden sich unter anderen
folgende Pflanzen: Dracocephalum Rityschiana L., Thesium alpinnm L.,
Jmicus stygius L.^ Cinna suaveolens Rupr., Nardosmia frigida Hook., Atragene
alpina L., Riibns arcticus L., Conioselinim Fischeri Wimm, et Grab.
Diese Pflanzen sind auf den Uralo-Alaun'schen Höhen in nordöstlicher Richtung
weiter verbreitet; diese Höhen liegen im nordischen glacialen Blockgebiet;
es ist möglich, dass sie während der Glacialperide das Eismeer
überragten, welches das umliegende devonische Land überschwemmte;
es konnte dann ein Theil dieser Pflanzen, von denen wir wissen, dass sie
nur in der Glacialperiode ihr heutiges Areal gewonnen haben konnten,
schon damals dahin gelangt sein. Waren aber diese Anhöhen auch vom
Meere bedeckt, dann mussten diese Pflanzen gleich nach der Hebung des
Landes sich angesiedelt haben.
4) Ducke : Die Alpenflora Oberschwabens inWürtemb. naturw. Jahreshefte XXX.
•1 874 p. 226—236.
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