
2 1. EnUvicklung der Flora Nordamerikas etc. •1. Ueber die miocene Flora des arktischen Gebietes.
welche uns geologisch erschlossen sind, bei einem gleichartigen Vegelationscharakter
mehrere circumpolare Formen aufzuweisen.
Da jedoch in neuester Zeit die von H e e r zuerst gegebenen und auch
fiist allgemein angenommenen Altersbestimmungen der arktischen Tertiärpilanzen
von J. St. Gardner^] angefochten w^erden, so ist es nothwendig,
hier kurz auf die Frage einzugeheuj inwieweit Unsicherheit bezüglich jener
Altersbestimmungen besteht und inwiew-eit solche Unsicherheiten für die
pflanzengeographische Foi'schung von Bedeutung sind. Gerade Phytopalaeontologen,
w i eGo e p p e r t , Heer, Unger , v. E t t i n g h a u s e n waren
es, welche zeigten, dass viele Tertiärpflanzen Pflanzen der Gegenwart so
nahe stehen, dass man in manchen der letzteren die unveränderten oder
nur w'enig veränderten Abkömmlinge der Arten sehen kann, w^elche schon
im Neogen existirten. Es kann daher auch aus der Uebereinstimmung einzelner
Einschlüsse zweier oder mehrerer Lagerstätten nicht ohne Weiteres
auf ihre Gleichalterigkeit geschlossen w^erden, selbst wenn diese einzelnen
Formen in grosser Häufigkeit auftreten. Etwas Anderes ist es aber, wenn
die Uebereinstimmung sich in ganzen Pflanzengemeinschaften äussert, wie
das ja bei den meisten Fundorten des arktischen Gebietes der Fall ist,
welche H e e r für miocen erklärt hat, wenn ferner die Ablagerungen nicht
durch zu viele Breitengrade von einander getrennt sind und wenn endlich die
u n t e r den für gleichalterig erklärten Fundstätten liegenden Schichten als
gleichalterig erwiesen w^erden können. Während gegen die Annahme
gleichen geologischen Alters der arktischen, für miocen erklärten Fundstätten
ein triftiger Grund kaum beigebracht werden kann, könnten Gardner' s
Einwände gegen die Gleichalterigkeit des mitteleuropäischen Miocens und
der erwähnten arktischen Fundstätten eher Beifall finden, da in der That
die Entfernung mehrerer arktischen Fundstätten von den miocenen des
alpinen Gebietes oft mehr als 30 Breitengrade beträgt. Diese Einwände
wären berechtigt; wenn zwischen diesen w^eit auseinander liegenden fossilen
Floren vollständige Uebereinstimmung herrschte und zugleich aus der Beschaffenheit
der ihnen kurz vorher vorangegangenen Floren hervorginge,
dass schon früher eine Verschiedenheit des Klimas sich in der Richtung
von Süden nach Norden geltend machte. Nun lehrt in der That schon der
Vergleich der verschiedenen eocenen Floren Europas ^ bei denen man auch
in Folge genauerer Kenntniss der Lagerungsverhältnisse über die Altersbestimmung
w^eniger zweifelhaft sein kann, dass schon im ersten Theil der
neogenen Periode die Wärmeabnahme von Süden nach Norden in den nördlicher
gelegenen Gebieten eine weniger reichliche Entwicklung tropischer
Formen zur Folge hatte, als im Süden. Wenn daher die verschiedenen für
miocen erklärten Floren unter w^eit entfernten Breitengraden vollständige
Uebereinstimmung zeigten, dann wäre ihre geologische Gleichalterigkeit anzuzw^
eifeln. Diese letztere zeigt sich aber gerade darin, dass in den nördlicheren,
für miocen erklärten Floren Formen dominiren, die sich mit klimatischen
Verhältnissen begnügen, wie sie heute in der gemässigten Region
herrschen, während in den südlicheren, für geologisch gleichalterig angesehenen
Floren auch andere Formen auftreten, die nach ihrer Uebereinstimmung
mit heutigen subtropischen Pflanzen vermuthen lassen, dass
daselbst zur miocenen Zeit ein subtropisches Klima die Entwicklung wärmebedürftigerer
Formen begünstigte. Dass aber eine Anzahl Arten, denen
ein gewisses Plus von Wärme nicht schadet, so weit verbreitet waren,
dass sich ihre Reste jetzt ebenso in den nördlichsten, wie in den südlichsten
miocenen Ablagerungen finden , hat für jeden mit der Verbreitung europäischer
Pflanzen einigermassen vertrauten Botaniker nichts Auffallendes.
0 . Heeri ) konnte daher durch Anführung hierauf bezüglicher Thatsachen
G a r d n e r ' s Einwürfe gegen seine Altersbestimmungen leicht widerlegen.
Demnach betrachte ich Heeres Untersuchungen als eine sichere Grundlage,
auf welcher wir getrost weiter bauen können. Sollte aber dennoch sich
zeigen, dass die eine oder die andere bisher für miocen erklärte Fundstätte
des arktischen Gebietes eocen sei, so würde das in unseren pflanzengeographischen
Betrachtungen und Schlüssen nur die Aenderung zur Folge haben,
dass wir genöthigt w^ären, eine längere Dauer für die pflanzengeographischen
Verhältnisse anzunehmen, welche bis zum Eintreten der Glacialperiode
herrschten.
Die Zahl der Arten, W'elche sow^ohl in Spitzbergen, als auch in Grönland
und an der Mündung des Mackenzie zur miocenen Zeit existirten, ist nach
den bis jetzt gemachten Funden nicht sehr bedeutend; aber es ist zu berücksichtigen,
dass die Flora am Mackenzie noch nicht genügend erforscht
ist, und andrerseits ist es ja ganz selbstverständlich, dass selbst die reichsten
Lager pflanzlicher Fossilien noch immer ein sehr unvollständiges Herbarium
einer Landesflora repräsentiren. Von den 353 Pflanzen, w^elche Heer im
Jahre 1874-2) aus der miocenenFlora des arktischen Gebietes kannte, existirten
von Grönland bis zum Mackenzie : Taxodium distichum Goepp., Glyptostrobus
Ungeri Heer, Sequoia Langsdorfii (Brongn.) Heer, Populus arctica Heer,
Salix Raeana Heer, Corylus Mac Quarrii (Forb.) Heer, Platanus aceroides
Goepp., Hederá Mac Clurii Heer. Von einigen der genannten Arten ist aber
auch ein noch w^estlicheres Vorkommen erwiesen; es fanden sich nämlich
Taxodium distichum, Sequoia Langsdorfii und Corylus Mac Quarrii auch in
Alaska und am Cap Duin der Insel Sachalin; auch wurden an letzterem
1) Nature -1878, December, und Ausland i879 Nr. 2.
4) Ausland 1879 Nr. 8.
2) 0. Heer, Nachträge zur miocenen Flora Grönlands im Kongl. Svenska Veiensk.
Aead. Handl. (1874) XIH. 2.
Av