
22 Ii. Entwicklung der Flora des östlichen und centralen Asiens etc.
an tropischen Pflanzen vorhanden gewesen sein muss. Bei der allmälig
eintretenden Veränderung des Klimas musste ein Theil der wärmebedürffcigeren
Pflanzen verschwinden; vorher aber konnten sich im Laufe der Zeit
an den Grenzen ihrer Verbreitungsgebiete Formen entwickelt haben, die
in dem ihren Verwandten nicht mehr günstigen Klima aushielten.
S e c h s t e s Capitel.
Austiiusch der Florenelemente zwischen Asien und Nordamerika.
Schwierigkeiten bei der HeiinatlisbestiiiiTniing der Pflanzen der nördliclien gemässigten Zone. — Beziehungen
der Vegetation Ostasiens zn der Nordamerikas. — Verbreitung arktischer Arten im ostasiatischen
Küstenland und in Nordamerika; ausgedehntere Verbreitung derselben nach Süden in Nordamerika. —
Arten, "welche im östlichen Asien oder auch aiif dem Himalaya und in Nordamerika vorkommen, von
denen aber nicht a l lgeme i n angenommen werden kann, dass sie unter den heutigen Verhältnissen die
si-hraale Brücke im Norden für ihre "Wanderung benutzen konnten. — Zusammengehörigkeit von mehreren
dieser Pflanzen zu einer Pflanzengemeinschaft, daher die TJnwahrscheinlichkeit ihrer zufälligen Verschleppung.
— Beispiele von Arten, welche nur in den atlantischen Staaten Nordamerikas und im östlichen
Asien vorkommen, in den paciiischen Staaten aber fehlen. — Beispiele von Arten, welche umgekehrt
nur in den paciiischen Staaten Nordamerikas und im östlichen Asien vorkommen. — Die meisten der
Ostasien und Nordamerika gemeinsamen Arten gehören auch noch im westlichen Europa zu den wesentlichen
Bestandtheilen der ursprünglichen Wald- und Wiesenfiora. — Gründe für die Vermuthung, dass
diejenigen Pflanzen, welche im westlichen Europa verbreitet sind, in sj^stematischer Beziehung aber unter
den Pflanzen Europas isolirf stehen, aus Ostasien oder Nordamerika stammen. — Pflanzen des östlichen
und centralen Asiens, welche mit solchen Nordamerikas nahe verwandt sind. — Artenarme Gfattungen
von lückenhafter Verbreitung, welche in der Tertiärperiode ein grösseres Areal einnahmen und auch
mehr Arten besassen. — Bas Vorkommen vicariirender oder sich entsprechender Formen in den entfernten
Gebieten Ostasiens und Nordamerikas kann nicht auf Verschleppung der Samen durch Thiere»
Wind und Wasser zurückgeführt werden. — Asa Gray's Erklärung der verwandtschaftlichen Beziehungen
zwischen Japan und den atlantischen Staaten Nordamerikas. — Modiiicirung dieser Erklärung.
— Tertiäre Typen und monotypische Gattungen in Japan , alter Ursprung der Plora Japans. —
Japan nebst den Kurilen und Kamtschatka, das pacifische und das atlantische Amerika stehen in pflanzengeographischer
Hinsicht zu einander in ähnlicher Beziehung, wie die Halbinseln des Mittelmeergehietes. —
Beziehungen des Amurlandes zu Japan. —Vertheilung von Wasser und Land in Asien bis zur neogenen
Zeit. — Pflanzen der Mandshurei, welche tertiären Typen angehören. — Correspondirende Arten im
Amurland und in Nordamerika. — Spuren des japanischen Elorenelementes im östlichen Asien. —
Tertiärflora der Mandshurei und Sibiriens. — Beziehungen des Himalaya zu Japan und Nordamerika. —
Erklärung dieser Beziehungen aus den Verhältnissen, welche in der Tertiärperiode bestanden.
Dass zwischen dem nordöstlichen Asien und dem nordwestlichen
Amerika fortdauernd ein Austausch von Pflanzen erfolgte, ehemals von tropischen
und subtropischen Pflanzen, später von solchen der gemässigten
und arktischen Zone, ist ausser allem Zweifel, dagegen ist es Aufgabe der
speciellen Systematik und Pflanzengeographie, in jedem einzelnen Falle zu
erwägen, wann der Austausch stattgefunden bat und ob die Einwanderung
von Arten einer Asien und Nordamerika gemeinsamen Gattung aus Asien
nach Amerika oder umgekehrt erfolgte. Wir dürfen auch nicht vergessen,
dass immer noch der dritte Fall möglich ist, dass zur Tertiärzeit die Heimath
einer Gattung im hohen Norden w^ar, dass ihre Arten sich gleichmässis
nach dem nordöstlichen Asien und nach Nordamerika ausbrei-
6. Austausch der Florene^emente zwischen Asien und Nordamerika. 23
teten dass ihre Entwicklung in beiden Gebieten in ungleicher Weise
erfolgte dass sogar in einzelnen Fällen eine Gattung in dem einen Erdtheil
oanz^.ussterben konnte, in dem andern aber sich erhielt. Hierfür sind
Ginc/lw früher auch in Nordamerika und Europa, jetzt nur in Japan, ebenso
Liriodendron, früher in Europa und Asien , jetzt nur in Nordamerika, die
besten Beispiele. Es wird vielleicht von mancher Seile in Hinsicht auf die
an<>egebenen drei Möglichkeiten überhaupt für zwecklos erklärt werden,
nächster Herkunft der einzelnen Gattungen oder Arten zu forschen. Das
ist jedoch nicht zuzugeben, da in vielen Fällen jetzt schon die Möglichkeit
besteht diese Fra^en zu lösen, in andern diese sicher eintreten wird.
Wenn uns erst die^ tertiären Lagerstätten Ostsibiriens und Nordamerikas
genauer bekannt sein werden, namentlich auch die pliocenen, werden sich
viele dieser Fragen mit grosser Sicherheit lösen lassen.
Asa Grayi) hat das Verdienst, zuerst darauf aufmerksam gemacht
zuhaben, dass die Flora des nordöstlichen Amerika oder der atlantischen
Staaten eine grössere Verwandtschaft mit der Japans und der Amurländer,
als mit der des westlichen Nordamerika oder der pacifischen Staaten zeigt.
Das von ihm aufgestellte Verzeichniss der gemeinsamen und vicariirenden
Arten wurde dann später von M i queP) auf die beiden Gebieten gemeinsamen
Arten reducirt. Diese Reduction ergab 81 Arten. Grisebach3),
dem es hauptsächlich darauf ankam, Asa Gr ay' s Behauptung, dass die
Wanderung der erwähnten Pflanzen aus Ostasien nach Nordamerika und
umgekehrt in früheren Perioden stattgefunden habe , todt zu machen, fand
heraus, dass von diesen 81 Arten 41 auch im Westen Nordamerikas einheimisch
sind und daher die Samen derselben noch täglich'über das stille
Meer wandern könnten. Ferner erklärte er 17 Arten nicht für identische,
sondern für vicariirende; sodann blieben ihm noch 23 Arten übrig, von
denen 21 auch in Canada vorkommen und von denen er glaubte annehmen
zu können, dass sie auch noch im westlichen Nordamerika , namentlich im
Oregongebiet aufgefunden werden dürften. Mit Rücksicht auf die Grundlagen,
welche wir durch die vorangegangenen Betrachtungen der miocenen
Flora Ostasiens und Nordamerikas gewonnen haben, kann ich Gr i s ebach' s
Standpunkt nicht theilen. Zudem haben wir auch jetzt vollständigere Kenntniss
von der Flora Japans und Ostasiens überhaupt und es ist daher nothwendig,
die Beziehungen der Flora Ostasiens zu der Nordamerikas emgehender
zu besprechen. Die Pflanzen, welche für die verwandtschaftlichen
A s a Gr ay, Observations on tiie relations of the Japanese Flora to that of North
America, in Memoirs of American Academy, New Series 6. p. 424.
2) Mique l , De Yerwantscbap der Flora von Japan met Azie en Noord-Amenka
in Verslagen der K. Akademie van Wetenscbapen II. 2. 1868 p. 81.
3) Gr i sebac h , Vegetation der Erde p. 520—323 und p. 602. 603.